Klartext

Absturz oder Neustart: Fridays-for-Future-Bewegung in Flughafen-Turbulenzen

Leere vor dem Terminal des FMO. (Foto: Dirk Kruse/CC BY-SA 2.0/Bildausschnitt geändert)

Leere vor dem Terminal des FMO. (Foto: Dirk Kruse/CC BY-SA 2.0/Bildausschnitt geändert)

Jetzt oder nie! Die Fridays-for-Future-Bewegung fordert den Ausstieg aus dem Flughafen Münster-Osnabrück (FMO). Wegen der Corona-Krise nun erneut in schwersten Turbulenzen, wird der FMO mit deutlichen Worten von den Öko-Aktivist*innen aus rund 40 Initiativen als “Treibstoff für die Klimakrise und finanziell ein Fass ohne Boden” kritisiert. Doch in der Politik findet die Forderung bisher wenig Widerhall – zu Unrecht, findet unser Kolumnist Rüdiger Sagel. 

In den Städten Osnabrück, wo SPD und Grüne immer wieder gemeinsam mehrheitliche Beschlüsse fassen, und auch in Münster, wo die Grünen als stärkste Fraktion einer neuen Mehrheit den Ton angeben, herrscht dagegen bisher vorweihnachtliche Stille. Das Sieben-Millionen-Euro-Defizit des Flughafens im Jahr 2019 wurde noch im August 2020 kommentarlos finanziert und durchgewunken.

Gilt hier immer noch die These der regionalen Industrie und Handelskammer (IHK), dass der FMO “das Tor zur Welt und unverzichtbar für die regionale Wirtschaft” ist? Wird das kollektive klimapolitische Versagen der etablierten Politik weiter fortgesetzt? Oder ist die erfreuliche Fridays-for-Future-Bewegung die letzte Hoffnung, den überfälligen Ausstieg als außerparlamnentarische Opposition durchzusetzen? Dann müsste sie genügend Druck gegen das dominierende, lokalpolitische Prestigedenken entfalten, dass Städte wie Osnabrück und Münster unbedingt, aber irrtümlich einen Flughafen brauchen.

In Münster wäre der FMO-Ausstieg eine relativ einfache Aufgabe für die neue Mehrheit im Vergleich zur Realisierung einer autofreien Innenstadt oder Klimaneutralität des Gebäudeneubaus und -bestands. Deshalb wird sich hier schon sehr bald zeigen, ob es die Parteien mit dem “Climate change” tatsächlich ernst meinen. Oder ob es bei auf Papier gedruckten Absichtsbekundungen in den Programmen bleibt. Konkret könnten schon allein die Ratsmehrheiten der beiden Friedensstädte den FMO-Ausstieg beschließen, denn sie haben mit 35 Prozent in Münster und 17 Prozent in Osnabrück die Anteilsmehrheit am Flughafen.

Klima-Millionen statt FMO-Subventionen

Neben der Klima-Problematik ist der FMO, wie auch die Flughäfen in Dortmund und Paderborn, die sich auf engstem Raum gegenseitig Konkurrenz machen, seit langem hoch defizitär. Bereits zwischen 2015 und 2020 wurden knapp 100 Millionen Euro von den Anteilseignern an den Flughafen gezahlt. In 2020 sind nach eigenen Angaben der Geschäftsführung die Fluggastzahlen um 75 Prozent eingebrochen und auch perspektivisch werden jährliche Millionen-Defizite entstehen. Für 2020/21 sollen jetzt mindestens 10 Millionen Euro weitere Zuschüsse bei den Flughafeneignern zusätzlich beantragt werden.

Der FMO ist laut Geschäftsbericht trotz der immensen kommunalen Kapitalzuschüsse noch immer mit ca. 46,5 Mio. Euro Schulden belastet. Restschulden von 29 Millionen Euro aus den letzten Jahren drücken und laut Geschäftsführung wird der FMO in diesem Jahr mindestens zwei Drittel seines Umsatzes einbüßen, der 2019 noch rund 30 Millionen Euro betragen hatte. Aktuell macht er coronabedingt monatlich eine weitere Million Euro Verlust.

Droht nun der endgültige Absturz oder gibt es einen Neustart? Die Luftfahrtbranche spricht selbst davon, dass frühestens in fünf Jahren das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht werden könnte. Insbesondere ist der subventionierte Markt der Billigflüge weitgehend eingebrochen. Die einst von Dr. Werner Allemeyer von der Uni Münster in einem Gutachten zum Flughafenausbau erstellte Prognose, im Jahr 2010 würden rund 4,5 Millionen Passagiere den FMO nutzen, eine Million davon im Interkontinentalbereich, wurden schon in der Vergangenheit immer weit verfehlt, mit Höchststand in 2000 von 1,8 Millionen und 2019 erneut unter einer Million Fluggäste.

Der Autor: Rüdiger Sagel ist ein politisches Urgestein in Münster. Lange Jahre saß er erst für die Grünen, dann für die Linkspartei zunächst im Landtag, zuletzt im Stadtrat. Seine aktive politische Karriere hat er mit Ablauf der Legislaturperiode beendet.
Der Autor: Rüdiger Sagel ist ein politisches Urgestein in Münster. Lange Jahre saß er erst für die Grünen, dann für die Linkspartei zunächst im Landtag, zuletzt im Stadtrat. Seine aktive politische Karriere hat er mit Ablauf der Legislaturperiode beendet.

Während der benachbarte Flughafen in Paderborn bereits in Insolvenz gegangen ist, werden von Münsters Oberbürgermeister Lewe (CDU) – zugleich stellvertretender FMO-Aufsichtsratvorsitzender – neue umfangreiche Finanzhilfen gefordert, um den Status Quo zu erhalten. Die kommunalen Haushalte sind jetzt schon hoch verschuldet und an der Grenze zur Haushaltssicherung. Diese Tendenz wird sich durch die Corona-Krise weiter verschärfen.

Kann es sich die Stadt Münster leisten, dass Millionen Summen von den Stadtwerken – statt für die klimapolitisch notwendige Verdoppelung des ÖPNV – für den Flughafen verwandt wird? Wann, wenn nicht jetzt ist der Zeitpunkt für eine grundsätzliche Richtungsänderung gekommen? Der Flughafen ist nicht systemrelevant und müssen Investionen in die Zukunft nicht endlich auch nachhaltig, klimatisch wie ökonomisch, sein?

Die Fridays-for-Future-Bewegung kritisiert die “bereits sichtbaren Auswirkungen der Klimakrise und der ausufernden finanziellen Verluste.” Deshalb sei “eine zunehmende Subventionierung durch die beteiligten Kommunen und Kreise ökonomisch unsinnig, untragbar und klimapolitisch unverantwortlich… Der Ersatz der Inlands- und Kurzstreckenflüge, die beim FMO über ein Drittel des Betriebs ausmachen, durch Verlagerung auf die Schiene und die weitgehende Reduzierung der Fernflüge”, sei notwendig. Da auch “das Einsparpotenzial in Tonnen CO2 durch die Regionalflughäfen…im Vergleich zu anderen klimapolitischen Maßnahmen beachtlich” sei.

Kurswechsel mit Fridays-for-Future

Die klimatischen Folgen des Luftverkehrs sind wissenschaftlich unbestritten, doch in den Parlamenten findet bisher kein Kurswechsel statt. Die Ratsmehrheiten in Osnabrück und Münster haben bisher alle Beschlüsse und Hilfen für den FMO mitgetragen. In Münster verhandelt jetzt eine neue Ratsmehrheit mit SPD und Volt unter Führung der Grünen einen Koalitionsvertrag für fünf Jahre aus.

Doch bisher dringt fast nichts durch die verschlossenen Türen an die Öffentlichkeit. Kann sich die Fridays-for-Future-Bewegung, welche zum Erstarken der Grünen nicht unwesentlich beitrug, auch am Verhandlungstisch wie insgesamt das notwendige Gehör verschaffen? Werden die Klima-Ziele der meist jungen Aktiven jetzt Ernst genommen und konkret umgesetzt? Oder werden in der Opposition zwar klimapolitisch notwendige Anträge gestellt, doch in Regierungsverantwortung geht alles so weiter wie bisher?

Schaut man sich die bisherige parlamentarische Realität an, zeigt sich, dass nur Protest auf der Straße wohl nicht ausreicht. Die Klima-Bewegung hat zwar bis in das konservative politische Spektrum ein scheinbares Interesse an der Bekämpfung der Klimakrise geweckt, mehr aber bisher auch nicht. Doch damit über den Wolken die Freiheit nicht grenzenlos sein wird, ist zu klären: Wie geht es für die Klima-Bewegung auch über die derzeitigen Turbulenzen hinaus nun weiter und wie werden die mehr als berechtigten Forderungen durchgesetzt?

Diese Fragen bleiben derzeit ohne Antwort. Für die Zukunft sind sie aber entscheidend!


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