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Corona = weniger Verkehr = bessere Luft? So einfach ist die Rechnung nicht

Feinstaub-Hotspot Bült: Hier ein Bild aus der Zeit vor Corona.

Feinstaub-Hotspot Bült: Hier ein Bild aus der Zeit vor Corona.

Auf den ersten Blick erscheint die Rechnung ganz simpel: Bedingt durch den Corona-Lockdown fahren weniger Autos durch die Straßen von Münster. Ergo müsste sich die Luftqualität verbessern. Doch genau hier wird es kompliziert.

CDU-Ratsherr Walter von Göwels wollte kürzlich von der Stadtverwaltung wissen, inwieweit sich Verkehrsaufkommen und Luftqualität im Zuge des Corona-Lockdowns verändert haben. Die Antwort ließ ihn staunen: “Ein etwas überraschendes und verblüffendes Ergebnis”, erklärte der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Ratsfraktion am Dienstag in einer Pressemitteilung.

Das Verkehrsaufkommen nämlich hat sich im Mittel um 35 Prozent reduziert, schreibt die Verwaltung in der uns vorliegenden Stellungnahme. Das mag wenig überraschen, beim Punkt Luftqualität verhält es sich anders. Für den Betrachtungszeitraum ist nämlich keine Korrelation mit dem Verkehrsaufkommen nachweisbar. Wir hatten hierzu kürzlich berichtet. Das Grünflächenamt erklärte seinerzeit: “Eine alleinige Auswertung von kurzzeitigen Immissionsdaten, ohne Berücksichtigung des verhältnismäßig großen Einflusses der Meteorologie auf die Ergebnisse kann zu falschen Annahmen führen.”

Die Verwaltung schreibt in ihrer Stellungnahme an von Göwels: “Wegen des starken Einflusses des Wetters auf die jeweilige Immissionsbelastung ist der Jahresmittelwert die maßgebliche Beurteilungsgröße. Welchen Einfluss die voraussichtlich zeitlich begrenzte Verkehrsverringerung auf den Jahresmittelwert hat wird man erst im nächsten Jahr beurteilen können.”

Corona und Luftqualität: Falsche Annahmen?

Die CDU wiederum schreibt in ihrer Pressemitteilung, die die “Westfälischen Nachrichten” ohne Kennzeichnung als solche komplett und offenkundig ungeprüft übernommen haben: “Ungeachtet weiterer Einflussfaktoren wie der Wetterlage ist für von Göwels klar, dass das erheblich niedrigere Verkehrsaufkommen keine positiven Effekte auf die Luftqualität in Münster gehabt hat.”

Die SPD reagierte am Mittwoch ihrerseits mit einer Pressemitteilung, in der sie davon spricht, dass die CDU mit ihren Äußerungen einen “falschen Eindruck” vermittele. Ludger Steinmann, planungs- und verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion, wird hier zitiert: “Zur objektiven Analyse und Bewertung hätte gehört, dass selbst in Zeiten (…) mit einem stark reduzierten Aufkommen aller Verkehrsträger Luftschadstoffe im Stadtklima verbleiben, also nicht adhoc abbaubar sind.” Vielmehr müsse man davon ausgehen, dass ein Abbau dieser Schadstoffe nur über noch längere Zeiträume erfolge.

Zur Veranschaulichung des Verbleibs der Luftschadstoffe im Stadtklima folgendes Chart mit der Feinstaubbelastung an der Weseler Straße:


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  1. Spannend wäre für mich, die Werte mit der Meßstelle im grünen Grund zu vergleichen. Hätte der Verkehr keinen Einfluss, müssten die Werte deckungsgleich sein.

    Sind sie nicht deckungsgleich, kann die Differenz nur die Immision nur Verkehr sein…

  2. Dass Feisnstaub auch wetterbedingt in der Luft ist, merkt jede/r an der klareren Luft nach einem Regen. Launige Trockenheit produziert mehr Partikel, die in die Luft gewirbelt werden können. Trotzdem geben die Corona-Messungen nochmal Anlass zum Nachdenken, finde ich. Fahrverbote wurden zB in Stuttgart bisher bei besonders starker, akuter Feinstaubbelastung verhängt, nicht aufgrund irgendwelcher Mittelwerte. Die Verbote bezogen sich auf die Antriebsart (Diesel). Könnte es sein, dass es vor allem die Reifen sind, die die Luft aufwirbeln und bei Trockenheit zu erhöhter Feinstaubbelastung führen? Dann wären auch Elektroautos betroffen, und man müßte über ganz andere Schutzmaßnahmen nachdenken: Häuserfronten begrünen, mehr Straßenbäume etc.

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