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Trauttmansdorffstraße: Sozialer Brennpunkt, irgendwo im Nirgendwo

In der Siedlung an der Trauttmansdorffstraße leben seit Anfang der 70er Jahre obdachlose Menschen.

Sechs Wohnblöcke mitten im Gewerbegebiet. Keine Nachbarn, nur Autos, die ein paar Meter entfernt vorbeirauschen. 200 Menschen in einer Oase der Hoffnungslosigkeit an der Trauttmansdorffstraße. Die Tage der dortigen Obdachlosenunterkunft sind bald gezählt. Und man muss sagen: zum Glück.

Kinderhaus Schleife. Die Straßen mit den Tiernamen in Coerde. Angelmodde-Ost. Münster ist nicht nur Prinzipalmarkt und Domplatz, sondern hat auch Ecken, die nicht in den Broschüren der Tourisnusförderung auftauchen. Das gilt auch für die kleine Siedlung Trauttmansdorffstraße 77 bis 87. Sie ist nicht direkt einsehbar für die vorbeifahrenden Autos, als hätte man sie seinerzeit bewusst vor den Augen Neugieriger verstecken wollen. Heute liegt zwischen Blumenhandel und Bowlinghalle ein sozialer Brennpunkt, den kaum wer kennt.

Das mag vielleicht für den gemeinen Münsteraner gelten, aber nicht für die Polizei. Die Beamten wurden eine Zeit lang regelmäßig zu Einsätzen gerufen, wenn es Ärger gab. Knapp 200 Einwohner in 36 Wohnungen, aus rund 15 Nationen, regelmäßig wechselnder Besuch. Dann brodelte der Schmelztiegel. Seit dem letzten Jahr sorgt die Stadt für Abkühlung, als Betreiberin der Unterkunft hat sie einen Sicherheitsdienst beauftragt. Nun ist es ruhiger, auch der AWO trägt zur Deeskalation bei. Ein Ende ist ohnehin absehbar, noch 2018 soll die Einrichtung endgültig aufgegeben werden.

“Man sieht, das hier etwas passieren muss”, sagt Joachim Schmidt (CDU), Bürgermeister des Bezirks Hiltrup, an dessen nordöstlichem Zipfel die Siedlung liegt. Die Stadt, so geht aus einer aktuellen Ratsvorlage hervor, will den Standort ähnlich wie den Schwarzen Kamp in Mecklenbeck vor einigen Jahren aufgeben. Die Immobilie ist von der Wohn+Stadtbau gemietet und soll wahrscheinlich abgerissen werden – und das ist angesichts der verschimmelten Wohnungen und der heruntergekommenen Bausubstanz wohl auch die beste Lösung. “Hier müsste viel investiert werden, um das wieder hinzubekommen”, erklärt Marco Ruppel, Sozialarbeiter bei der Stadt. “Das hat keine Perspektive in dieser Konstellation.”

Der Blick in das Treppenhaus spricht für sich.
Der Blick in das Treppenhaus spricht für sich.

Nun ist aus Sicht der Verwaltung ein Neustart notwendig. Immerhin leben die Menschen fast ausschließlich mit Migrationshintergrund irgendwo im Nirgendwo. 1972 hat man noch anders gedacht, als das Gebäudeensemble für die “klassischen” Obdachlosen hochgezogen wurde. Heute sieht man hier “das Ergebnis gescheiterter Integration”, wie Ruppel deutlich macht. In den 90er Jahren wurden an der Trauttmandorffstraße viele Geflüchtete aus dem Krieg in Yugoslawien untergebracht und dann irgendwie wohl auch vergessen.

Manche der größeren Familien leben seit über 20 Jahren hier, teilweise bereits in dritter Generation. Viele würden ja gerne weg, aber allein die Adresse Trauttmandorffstraße ist ein Stigma. Da wird es dann auf dem schwierigen Wohnungsmarkt in Münster endgültig utopisch. Und dann sind da noch die zahlreichen anderen Probleme: Viele der Menschen sind von staatlichen Transferleistungen abhängig, Sprache, Resignation und mitunter auch Unwille – da nimmt Ruppel kein Blatt vor den Mund – rauben auch die letzten Perspektiven. Und das alles wird an die nächste Generation weitergegeben. Beim Ortstermin zur Mittagszeit sind auffällig viele Kinder im schulpflichtigen Alter anzutreffen. “Das ist ein großer Problembereich.”

Neue Bleibe in Asylbewerberheimen, die nicht mehr benötigt werden

Nun aber soll alles anders werden für die Bewohner der Siedlung an der Trauttmansdorffstraße. Die ersten Familien sind bereits ausgezogen. Mit dem nachlassenden Zustrom von Geflüchteten sind Kapazitäten in den städtischen Asylbewerbereinrichtungen frei geworden. Am Sandfortskamp und am Hohen Heckenweg sollen insgesamt 80 Menschen untegebarcht werden, zwei weitere Standorte werden noch gesucht. Die Nachricht, so Ruppel, sei bei den Menschen positiv aufgenommen worden.

Und der Umzug bietet zugleich die Chance für einen Neubeginn. Die Stadt, so sieht es die Ratsvorlage vor, will auch verstärkt in die Betreuung der Menschen investieren. Und wer weiß, vielleicht kommen manche nach 20 Jahren dann wirklich in Deutschland an.

Der Rat entscheidet in der nächsten Sitzung am 31. Januar.