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Multiresistente Keime in Münsters Gewässern? Politik verlangt Aufklärung

Kanal: Finden sich multiresistente Keime auch in hiesigen Gewässern? (Foto: KarinKarin2/CC BY-NC-ND 2.0)

Kanal: Finden sich multiresistente Keime auch in hiesigen Gewässern? (Foto: KarinKarin2/CC BY-NC-ND 2.0)

Sie sind vor allem aus Krankenhäusern bekannt, doch jetzt wurden sie erstmals in Gewässern in Niedersachsen gefunden: Multiresistente Keime können bei vorerkrankten Menschen schwere Infektionen hervorrufen, denn gegen sie helfen Standardantibiotika nicht. Ob und inwieweit die Keime auch in Münsteraner Gewässern verbreitet sind, ist unbekannt. Das soll sich nun ändern.

Die Gefahr lauert in Bächen, Flüssen, Seen – und in Krankenhäusern. Die meisten Antibiotika helfen nicht, wenn sich ein vorerkrankter Mensch mit ihnen infiziert hat. Multiresistente Keime sind der Albtraum von Patienten und Ärzten. Neuerdings beunruhigen sie auch die Münsteraner Stadtpolitik. Die ersten Ratsleute verlangen Aufklärung darüber, ob die Erreger in hiesigen Oberflächengewässern wie Emmerbach, Kanal oder im Aasee zu finden sind.

Auf Inititative der Grünen in der Bezirksverwaltung Hiltrup hin kommt das Thema nun auf die lokalpolitische Agenda. “Wir wollen Klarheit für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger”, sagt Carsten Peters, der für die Partei sowohl in der BV als auch im Rat sitzt. Konkret wollen die Grünen Wasserproben aus dem Emmerbach, dem Hiltruper See, dem Kanal, dem Kannenbach und Krankenhausabwässer untersuchen lassen – als Auftakt für eine Beprobung der Oberflächengewässer in der gesamten Stadt. Die BV hat den Antrag in der letzten Woche einstimmig an den Rat verwiesen, wo das Thema voraussichtlich in der nächsten Sitzung am 16. Mai auf die Agenda kommt.

Die Verwaltung hat in der Sache bislang keine Initiative ergriffen. Sie teilte im März auf eine Anfrage von Linkspartei und Grünen hin mit, dass “zur Belastung von Oberflächengewässern weder Messergebnisse vorlägen noch Messungen in Vorbereitung” seien. Einzig das Tiefbauamt bereitet derzeit entsprechende Untersuchungen zur Existenz multiresistenter Keime in den Abläufen Münsteraner Kläranlagen vor.

Multiresistente Keime in Niedersachsen gefunden

Das Thema hat bislang in erster Linie Krankenhaushygieniker beschäftigt. Denn in den deutschen Hospitälern tauchen die Keime immer wieder auf. Die Berliner Charité schätzte 2017, dass die von ihnen ausgelösten Infektionen jährlich bis zu 4.000 Todesopfer fordern. In den Niederlanden hingegen ist das Problem mit den “Krankenhauskeimen” längst nicht so gravierend. Hier werden Patienten bei der stationären Aufnahme generell getestet und gegebenenfalls isoliert. Für die ohnehin gesundheitlich geschwächten Patienten stellen die Erreger eine ernsthafte Gefahr dar, denn die üblichen Antibiotika helfen bei ihnen nicht. Für solche Fälle werden Reserveantibiotika vorgehalten, die nur in solchen Situation angewendet werden dürfen.

Dass sich der Rat mit dem Thema beschäftigen wird, hat eine Vorgeschichte. Im vergangenen Jahr fällt ein Mann in Hessen in einen Bach und ertrinkt dabei fast. Im Krankenhaus finden die Ärzte multiresistente Keime in seiner Lunge, der Mann stirbt später. Daraufhin lässt das Frankfurter Gesundheitsamt das Gewässer untersuchen. Ergebnis: In dem Bach finden sich die gefährlichen Erreger.

Dieser Vorfall war Anlass für ein Reporterteam des NDR, einige Gewässer in Niedersachsen auf besagte Keime untersuchen zu lassen – mit einem Ergebnis, das nicht nur Experten, sondern auch Politiker aufhorchen lässt. “Das ist wirklich alarmierend”, erklärte Dr. Tim Eckmanns vom Robert-Koch-Institut dem Sender. “Die Erreger sind anscheinend in der Umwelt angekommen und das in einem Ausmaß, das mich überrascht.”

Ursprung in der Landwirtschaft?

Seither diffundiert das Thema in die politische Diskussion. Das Bundesumweltministerium teilte dem NDR mit, dass es eine Nachrüstung der Kläranlagen für sinnvoll haltte. Das zuständige Landesministerium sieht keinen akuten Handlungsbedarf und verweist auf eine Studie zum Thema, die 2019 durchgeführt werden soll. In Münster sieht man das augenscheinlich anders – mit gutem Grund. So legen die Funde in Hessen und in Niedersachsen nahe, dass auch die Münsteraner Gewässer belastet sein könnten. Die Hase im südlichen Niedersachsen ist ebenfalls kontaminiert.

Eine mögliche Quelle für die Verkeimung der Gewässer ist bereits ausgemacht: die industrielle Landwirtschaft. Gelten in der Humanmedizin strenge Regeln für Reserveantiobiotika, ist das in der Tierhaltung nicht der Fall. Hier werden die Medikamente auch präventiv verabreicht: “Durch die Gülledüngung gelangen multiresistente Keime aus dem Tierbesatz auf die Agrarflächen und von dort weiter in Oberflächengewässer”, sagt Wilfried Stein, stellvertretender Bezirksbürgermeister der Grünen in Hiltrup.

In den Gewässern wiederum kann eine Übertragung auf den Menschen nicht ausgeschlossen werden, berichtet der “Spiegel” unter Berufung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion. Dies gelte besonders “bei Personen, die nach medizinischen Maßnahmen nur über eine abgeschwächte Immunabwehr verfügen.” Zugleich beruhigen Experten: Gerd Fätkenheuer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, stuft die Chance auf eine Infektion gegenüber dem Blatt als “extrem gering” ein.


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