Klartext

Münster liegt jetzt an der HEIMAT-Front

Symbolbild Heimat: Ortsausgangsschild Münster (Foto: Michael Panse/CC BY-ND 2.0)

Symbolbild Heimat: Ortsausgangsschild Münster (Foto: Michael Panse/CC BY-ND 2.0)

Im Bund haben wir neuerdings einen Heimatminister. In NRW eine eigene Heimatministerin. Münster hatte kürzlich einen Heimatkongress. Jetzt sollen eine Heimat-Werkstatt und ein Heimat-Preis dazukommen, findet Schwarz-Grün. Wir haben da einen anderen Vorschlag. Eine Glosse.

Heimat. Da kann sich doch jeder was drunter vorstellen. Das Vertraute, das einen umgibt, das bekannt ist, übersichtlich, ein wohliges Gefühl vermittelnd. Sicherheit. Keine fremdländischen Flüchtlinge, die an der bajuwarischen Grenze auf den Übertritt warten und deren Bilder via Tagesschau um Punkt 20.00 Uhr in die heimischen Wohnzimmer eindringen und dem Zuschauer einhämmern, dass da noch etwas ist.

Eine große, komplexe Welt, die da hinter der nächsten Straßenecke lauert. Furchteinflößend, weil unbekannt. Die es aber möglich macht, dass wir spottbillige T-Shirts tragen und in unseren Smartphones ein Metall namens Tantal verbaut wird, das kleine Kinderhände in den Minen des Kongo abgebaut haben anstatt in der nächsten Schule das Schreiben zu erlernen.

Das ist ein großer Bogen und nicht jeder Mensch ist in der Lage, ob qua Bildung oder Intellekt bzw. dessen Nichtvorhandensein ein Verständnis dafür zu entwickeln, was um die schöne, beschauliche Bundesrepublik herum so alles passiert. Wie wir alle davon profitieren. Und das ist mitunter ziemlich gruselig, diese ganzen Migranten, die sich bei dem Versuch, unseren Sozialstaat zu plündern, im Mittelmeer in Lebensgefahr begeben.

Kampfbegriff Heimat

Und dann gibt es da noch Menschen, die einfache Antworten bieten. Die Bernd Höckes, Erika Steinbachs und Martin Schillers dieser Welt. Sie und ihre Gesinnungsgenossen haben den politischen Diskurs in unserem Land seit dem Herbst 2015 mit einem Effet in rechter Richtung versehen. Recht von rechts, nicht von gerecht. Und sie haben bei den anderen Parteien etwas ganz Bedeutendes bewirkt: Angst. Angst um Macht, Angst um Pfründe, Angst um Wählerstimmen.

Das Problem: Angst ist häufig kein guter Ratgeber. Erst recht nicht für Politiker. Das merkt man, wenn man derzeit Menschen wie Horst Seehofer oder Alexander Dobrindt hört. Die haben offenbar Angst und versuchen deswegen, den ausgemachten Feind zu imitieren. AfD-Mimikri sozusagen. Dazu gehört der Kampf um die Lufthoheit über den Stammtischen und vor allem um die Deutungshoheit des Sehnsuchtsbegriffs Heimat, den man nicht den Rechten überlassen will. Diese Projektionsfläche für die von bestimmten Kreisen ausgemachte Sehnsucht nach Sicherheit. Dem verleiht man Ausdruck mit solchen Sachen wie dem Heimatminister, dem Heimatkongress und jetzt eben auch mit einer Heimatwerkstatt und einem Heimatpreis.

Da das Landesminsiterium für Heimat und Gedöns die ganze Nummer ohnehin bezahlt, soll jetzt auch Münster damit beglückt werden. Nicht, dass wir das nötig hätten angesichts der Rekordschlappe der Rechten bei der letzten Bundestagswahl. Haben ja nur 9.392 Münsteraner die AfD gewählt und in unserem ach so wundervoll schönen picobello sauberen Münster ist man ja ohnehin nicht so anfällig für dumpfen Lokalpatriotismus, wie spätestens das kollektive Sich-selbst-auf-die-Schulter-Klopfen nach der Wahl gezeigt hat.

Der Preis ist nicht heiß

Schwarz-Grün jedenfalls hat jetzt einen Ratsantrag vorgelegt, mit dem insgesamt 55.000 Euro für den Heimatpreis und die Heimatwerkstatt verausgabt werden sollen. In dem Text stehen Sätze wie:

“Münster ist geprägt durch den Zusammenhalt der Menschen und die Offenheit unserer Stadtgesellschaft. Das ‘WIR’ wird in Münster großgeschrieben.”

OK. Dann ist ja alles tutti. Oder:

“Die Identifikation aller Menschen in unserer vielfältigen Stadt mit der Heimat Münster gilt es zu stärken und zu fördern.”

Mh. Brauchen wir den Preis und die Werkstatt jetzt oder nicht?! 55.000 Euro wären vielleicht auch gut angelegt in der Ausstattung von Schulen. Damit die nachwachsenden Generationen ein Verständnis dafür entwickeln, was hinter der Straßenecke kommt und wie das alles so funktioniert mit der Welt und den billigen T-Shirts. Das wäre doch mal eine Investition in die Zukunft!

So ein Heimat-Preis ist es jedenfalls nicht. Man sollte der Auszeichnung wenigstens einen passenden Namen verpassen. Unser Vorschlag: Placebo-Preis.


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