Münster

Kunst und Flucht: Wie Gamal Kalil den Krieg in Syrien verarbeitet

Engagiert sich für Völkerverständigung: Gamal Kalil

Engagiert sich für Völkerverständigung: Gamal Kalil

Entvölkerte Städte, ausgezehrte Figuren: Gamal Kalil ist syrischer Kurde, Künstler, Verfolgter, Geflüchteter. Er malt, was er gesehen hat und was er hört über den Krieg in Syrien. Seine Bilder erzählen von Vertreibung, Verschleppung, Gewalt und Tod. Sie lassen aber ebenso die Kultur seiner Heimat in prächtigen Farben erstrahlen. 

Der Himmel glüht. Dichte Rauchschwaden pulsieren in die Höhe und verdunkeln den Tag. Im Vordergrund gesichtslose Frauen, dicht gedrängt. Abgesondert und fremd, ausgestoßen von ihrer Heimat wie vom Rest des Bildes. Sie wirken statisch; können nicht zurück und nicht voran. Der Titel des Gemäldes: Afrim. Kalil berichtet, wie das kurdische Volk von dort vertrieben wurde.

Auch Kalil musste seine Heimat Qamishli, an der Grenze zur Türkei, verlassen. 

Als Kritiker von Willkür, Korruption und Brutalität des Assad-Regimes, wurde Kalil immer wieder Opfer regimetreuer Schlägertrupps. Bereits mit 17 Jahren wurde er aufgrund einer Demonstration, die sein Vater gegen die Regierung organisiert hatte, festgenommen und drei Monate lang gefoltert. Später werden die Gemälde seiner ersten öffentlichen Ausstellung beschlagnahmt. Die Darstellung kurdischer Kultur: verboten in Syrien. Kalil macht eine Ausbildung zum Fotografen. Doch auf einer Demonstration in Damaskus wird er verprügelt, seine Kamera zerstört. Als ihm 1995 erneut eine Verhaftung droht, flieht er.

Kunst als Sprachrohr 

Wer gezwungen ist, zwischen zwei Welten zu leben, sehnt sich danach, sie zu verbinden. “Mit meiner Kunst kann ich eine Brücke zwischen den Kulturen bauen”, bemerkt Kalil und verweist auf die Gemälde, die ihn umgeben. 

Er will seine Kunst als Sprachrohr nutzen und die Menschen in Europa für die Situation in Syrien sensibilisieren. Gleichzeitig bietet ihm die Kunst die Möglichkeit, das Erlebte zu verarbeiten. 

Auf die Frage, was Heimat für ihn sei, antwortet Kalil: “Heimat ist für mich mehr ein Gefühl als ein Ort. Der Ort wurde mir genommen.” Er blickt auf eines seiner Gemälde und scheint darin zu verschwinden. “Ich denke an Feste, an Sommernächte und Musik. Ich denke daran, wie wir draußen auf einem Dach die Sterne betrachtet haben und meine Mutter uns Geschichten erzählte.”

Seit 2009 lebt Kalil in Münster. Neben seiner Malerei engagiert er sich für den Integrationsverein Treffpunkt Waldsiedlung e.V., gibt Kurse in Kulturvermittlung, übernimmt Kunst AGs an Schulen. Kalil ist angekommen. “Ich lebe jetzt ohne Angst”, betont er, “und ich möchte anderen Menschen helfen.” Auf die Frage, wie seine Zukunft aussehe, sagt Kalil: “Ich werde weitergehen und ohne Ende schaffen. Ich kann nicht stillsitzen.”

Mit seinen Werken schafft er einen Anlass zum kulturellen Austausch, eine Gelegenheit für Diskussionen, für Gleichgesinnte und für Menschen, die etwas lernen wollen. 

Ausstellung bietet Anlass zum Dialog 

In den Räumlichkeiten des Vereins für kulturelle und gesellschaftliche Zusammenarbeit AFAQ e.V. findet am 4. September die Vernissage “Zwischen Farbe und Migration” statt und markiert damit den Beginn einer Ausstellung, aus der für Besucher eine kritische Auseinandersetzung mit den Themen aus Kalils Gemälden erfolgen kann. Bis Ende November können sich Besucher dort von Kalils Tatendrang überzeugen und Teil eines interkulturellen Dialogs werden. Interessierte erhalten nicht nur Einblick in die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche Syriens, sondern auch in die Kulturlandschaft des Nahen Ostens.

Deler Saber, Vorsitzender des Vereins AFAQ betont die elementare Bedeutung eines solchen Dialogs: “Wenn wir uns besser kennen, können wir zusammen eine friedliche Zukunft gestalten.” Das Bestreben von AFAQ sei es daher, die Räumlichkeiten für diesen Dialog zu schaffen.


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