Münster

FMO: Demonstration im Terminal beschäftigt weiterhin die Justiz

Demonstrierende blockierten am 7. November die Abfertigungsschalter von Sun Express am FMO. (Foto: Perspektive Rojava)

Demonstrierende blockierten am 7. November die Abfertigungsschalter von Sun Express am FMO. (Foto: Perspektive Rojava)

Die Demonstration am FMO im November 2019 beschäftigt auch ein Jahr später noch die Gerichte. Nachdem ein Demonstrant vom Vorwurf des Hausfriedenbruchs freigesprochen wurde, geht die Staatsanwaltschaft nun in Berufung.

Rund 150 Urlauber hatten am 7. November 2019 ein Ziel: Antalya an der türkischen Mittelmeerküste. Doch ihr Flug sollte sich verzögern. Um 16 Uhr blockierten 21 Demonstrierende den Schalter türkischen Airline Sun Express am Flughafen Münster Osnabrück (FMO). Sie skandierten Parolen und verteilten Flugblätter, um nach eigenen Angaben gegen den “Angriffskrieg der Türkei” in der in Nordsyrien gelegenen, kurdischen Selbstverwaltungszone Rojava zu protestieren.

Die Fluggesellschaft sei, so die Aktivisten, mit dem Regime des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan verbunden. An dem Joint Venture sind sowohl die Lufthansa als auch Turkish Airlines beteiligt, an der der türkische Staat knapp die Hälfte der Anteile hält.

“Wer mit diesen Gesellschaften fliegt, finanziert also unmittelbar den völkerrechtswidrigen mörderischen Krieg gegen Rojava”, erklärten die Demonstrierenden von Perspektive Rojava seinerzeit. Um 17 Uhr beendeten sie die Aktion.

FMO erstattet Strafanzeige

Doch die Demonstration sollte ein juristisches Nachspiel haben. Polizeikräfte nahmen im Anschluss die Personalien der Demonstrierenden auf, die wiederum im Mai Post von der Staatsanwaltschaft bekamen. Laut Strafbefehl sollten sie jeweils 30 Tagessätze á 50 Euro wegen Hausfriedensbruchs zahlen.

“Das war eine legale Protestaktion”, sagt Jonas Seliger von der Gruppierung “Perspektive Rojava – Solidaritätskomitee Münster”, die für die Aktion am FMO verantwortlich zeichnete. “Deswegen haben wir geschlossen Widerspruch eingelegt.” Bedeutet: In der Sache kam es zu einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Steinfurt. Das sprach Seliger, dessen Fall als erster verhandelt wurde, frei.

In der uns vorliegenden Begründung argumentiert das Gericht: Das von einer Verantwortlichen des Flughafens ausgesprochene Hausverbot sei nicht zulässig gewesen. Der FMO als staatliches Unternehmen ist an die Grundrechte, im konkreten Fall Artikel 8 des Grundgesetzes (Versammlungsfreiheit), gebunden. Sprich: Demonstrationen sind im öffentlichen Bereich des Flughafens grundätzlich zulässig. Diesbezüglich hat es bereits im Jahr 2011 eine höchstrichterliche Entscheidung gegeben, auf die das Amtsgericht Steinfurt nun ebenfalls verwies.

Hausverbot das letzte Mittel

Zugleich räumt das Gericht ein, dass der Flughafenbetreiber in einer Abwägungsentscheidung die Versammlungsfreiheit beschränken kann, wenn er “elementare Rechtsgüter” gefährdet sieht. In einem solchen Fall sei das Hausverbot nur die Ultima Ratio. Am 7. November 2019 aber hätte die Möglichkeit bestanden, das Einchecken an einem der anderen zehn, zu diesem Zeitpunkt nicht genutzten Abfertigungsschalter durchzuführen. Außerdem hätte den Demonstrierenden die Auflage gemacht werden können, ihre Aktion an einer anderen Stelle im Terminal durchzuführen. Belästigungen des Publikums seien in einem gewissen Umfang hinzunehmen.

Damit ist die juristische Aufarbeitung noch nicht beendet. Die Staatsanwaltschaft hat in der Zwischenzeit Berufung eingelegt, was angesichts des Verlaufs der ersten Verhandlung nicht ungewöhnlich ist. In der nächsten Instanz würde dann vor dem Landgericht verhandelt, so der entsprechende Antrag zugelassen wird. Ein Sprecher Flughafens wollte sich mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht zum Sachverhalt äußern.

Das bedeutet weitere Unsicherheit für die 21 Demonstrierenden, denen weiterhin jeweils 1.500 Euro Geldstrafe droht. Perspektive Rojava hatte den FMO bereits aufgefordert, die Anzeigen zurückzuziehen – bislang ohne Erfolg. Fraglich wäre selbst in diesem Fall, ob die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen würde.

“Massiver Eingriff in die Betriebsabläufe”

Auch Grünen-Ratsherr Carsten Peters, zugleich Mitglied im FMO-Aufsichtsrat, unterstützt das Ansinnen: “Der Gerichtsbeschluss ist sehr eindeutig und klar und hat die Bedeutung des Versammlungsrechts deutlich hervorgehoben.” In der Sache sprach er bei der FMO-Geschäftsführung vor, die da antwortete: Die Proteste seien ein massiver Eingriff in die Betriebsabläufe gewesen und aufgrund der “präjudizierenden” Wirkung sollten die Anzeigen nicht zurückgezogen
werden.

CDU-Fraktionschef Stefan Weber, ebenfalls FMO-Aufsichtsrat, wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Thema äußern, da es nicht die Geschäftsgrundlagen des Unternehmens betreffe. Nur soviel: “Dass eine massive Störung und Beeinträchtigung des Betriebsablaufs juristische Folgen haben kann, erscheint logisch.”

Aber lag eine solche Störung vor? Das Gericht kam in der ersten Instanz zu einer anderen Einschätzung. Jonas Seliger vermutet andere Motive: “Ich glaube, es besteht eine politische Angst, dass sich die Proteste dahin verlagern.” Zunächst aber wird das Landgericht in der Sache befinden, so es die Berufung zulässt. Seliger ist auch in diesem Fall zuversichtlich – und gibt sich kämpferisch: “Wir werden das bis zur letzten Instanz durchziehen.”


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