Stadtgeschichte(n)

Erinnerungskultur: Ehre nur, wem Ehre gebührt

Erst nach der Kommunalwahl wieder Thema: Lüderitzweg und Woermannweg in Gremmendorf

Erst nach der Kommunalwahl wieder Thema: Lüderitzweg und Woermannweg in Gremmendorf

Während in ganz Deutschland im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung über die Umgestaltung von Kolonialdenkmälern, die Errichtung von Mahnmalen und die Umbenennung von Straßen diskutiert wird, finden sich in Gremmendorf weitgehend unbeachtet Lüderitzweg und Woermannweg. Beide Straßennamen referieren auf ehemalige Kolonialherren. Es drängt sich die Frage auf, wie man mit solchen Ehrerweisungen umgehen soll. 

“Wir leben in demokratischen, aufgeklärten Zeiten und gehen zunehmend kritisch mit den dunklen Phasen unserer Vergangenheit um. Wenn wir eine Person ehren, müssen wir uns fragen, ob dieser Person Ehre gebührt”, meint Olaf Blaschke, Historiker an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster mit dem Forschungsschwerpunkt Neuere und Neuste Geschichte.

Wer also waren Lüderitz und Woermann?

Der Tabakhändler Adolf Lüderitz gilt als Begründer der Kolonie Deutsch-Südwestafrika auf dem Gebiet des heutigen Staates Namibia und markiert den Anfangspunkt des wilhelminischen Kolonialismus. Da er die Küstenbewohner 1884 beim Kauf ihres Landes betrog, war er damals auch unter dem Namen “Lügenfritz” bekannt.

Adolph Woermann, der größte deutsche Westafrikakaufmann, war maßgeblich an der Einrichtung deutscher Kolonien in Afrika beteiligt und betonte, dass in Afrika zwei Schätze auszubeuten seien: „Die Fruchtbarkeit des Bodens und die Arbeitskraft vieler Millionen N****.“

Zwei Jahrzehnte später begannen die Deutschen im heutigen Namibia einen Völkermord an 80.000 Herero und Nama. 

Diskutieren statt Polarisieren 

Blaschke plädiert für eine gute, nüchterne Diskussion. Als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft zum Umgang mit dem Namensgeber der WWU hat er in der Vergangenheit bereits viel Kritik einstecken müssen und wurde in zahlreichen Hassmails attackiert. Der Vorwurf: Er wolle die Universität umbenennen.

Dabei geht es dem Historiker in erster Linie um eine ausgewogene Diskussionskultur. Diese habe einen viel höheren Stellenwert als die polarisierende Forderung nach einer unmittelbaren Umbenennung. “Wenn man sachlich diskutiert,” so Blaschke, “kommt man zu einer begründeten Position für die eine oder die andere Richtung.”

Initiatoren und Betroffene

Ein wichtiger Faktor innerhalb dieser Diskussion sei zudem nicht nur die Geschichte des Namensgebers, sondern vor allem, wer die Straße nach der Person benannt hat. Im Falle von Lüderitz- und Woermannweg haben die Nationalsozialisten die Benennung 1939 initiiert. “Um an die koloniale Vergangenheit Deutschlands anzuknüpfen”, erklärt Blaschke.

Hier stellt sich also die Frage, ob wir von Nationalsozialisten heroisierte Persönlichkeiten wirklich unhinterfragt ehren wollen. 

Auch die ehemalige Straßenbahnstation an der Warendorferstraße trägt ihren Namen “Danziger Freiheit” erst seit einem Erlass der Nationalsozialisten. Ein entsprechender Antrag zur Umbenennung in “May-Ayim-Platz” steht bereits zur Diskussion.

Des Weiteren sollten Betroffene selbst bzw. deren Nachfahren mit in die Diskussion um den Umgang mit den kolonialen Spuren in unseren Städten einbezogen werden. 

Der Arbeitskreis um Blaschke hat bereits einen Beirat gegründet, um Betroffene aus Namibia bei der Diskussion um den Umgang mit dem Namensgeber der WWU mit ins Boot zu holen. Wichtig wäre im Fall der beiden Straßennamen in Gremmendorf vor allem der Bezug zu dem Gebiet, zu dem Lüderitz und Woermann selbst einen Bezug hatten.  

Kritiker könnten nun fragen, ob dieser Aufwand für zwei kleine Wege in einem Münsteraner Vorort überhaupt zu rechtfertigen sei. Blaschke jedoch hält dagegen: “Wenn man schon im Schwung ist, sollte man diese Straßen auch mit ins Paket der Diskussion nehmen.”

Erstmal Kommunalwahlen

Dass Lüderitz- und Woermannweg umstritten sind, ist auch im Katasteramt bekannt und aktenkundig. Trotzdem sind die Bestrebungen einer kritischen, öffentlichen Diskussion erstmal auf Eis gelegt. 

Bernhard Zimmermann arbeitet im Katasteramt und ist dort zuständig für Straßenbenennungen. Auch ihm ist der Fall bekannt: “Das Stadtarchiv hat bereits Vorbereitungen zur Überprüfung der umstrittenen Straßennamen getroffen. Dazu braucht es aber einen politischen Beschluss und zu diesem Beschluss ist es nicht gekommen”, hält Zimmermann fest und fügt ergänzend hinzu: “Wir müssen damit rechnen, dass die Diskussion nach der Kommunalwahl wieder aufflammt.”


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  1. Das nenne ich einen konstruktiven Diskussionsbeitrag! Zur Recherche ein freundliches Telefongespräch, im Bericht sachlich und fair. Weiter so! Vielen Dank an Edina Hojas!

  2. Danke, Herr Zimmermann, für das Telefonat und Ihr Feedback. Herzliche Grüße!

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