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Bauprojekte am Bahnhof: Keine Sozialwohnungen für Investoren

Unweit vom Bahnhof in Münster entsteht neuer Wohnraum - aber nicht für Geringverdiener.

Der Bahnhof ist um die Ecke: Das Projekt “Universe” von Pro Urban an der kleinen Bahnhofstraße steht kurz vor der Fertigstellung. 

Das Viertel rund um den Bahnhof ist in Bewegung: An der Ostseite ist gerade erst der Spatenstich für das Hansator erfolgt, an der kleinen Bahnhofstraße beginnt bald die Bebauung des ehemaligen Westfalen-Areals. Hier entsteht auch Wohnraum – aber nicht für den Durchschnitts-Münsteraner, denn Auflagen wie die sozialgerechte Bodennutzung gelten für die Investoren nicht.

Münster hat bereits seit eineinhalb Jahren den lang ersehnten, neuen Bahnhof. Jetzt ist die Ostseite an der Reihe mit einer Aufwertung. Kürzlich erfolgte – mit großem Bahnhof und deutlicher Verspätung – der Spatenstich für das Projekt Hansator der Landmarken AG. Neben Einzelhandel, einem Wertstoffhof für die Bahn und einem Hotel mit 195 Zimmern sollen hier auch 300 Mikro-Apartments sntstehen. Dringend benötigter Wohnraum, sollte man meinen. Zu welchen Konditionen die Wohnungen an den Markt gebracht werden, steht noch nicht fest. Zur Zielgruppe gehört Lieschen Müller aus Münster eher nicht.

Ähnlich sieht es an der kleinen Bahnhofstraße aus. Dort steht das Projekt “Universe” des Immobilieninvestors Pro Urban aus Meppen kurz vor der Fertigstellung. Hier entstehen 91 Wohnungen mit einer Größe zwischen 22 und 65 Quadratmetern. Zielgruppe: Arbeitsnomaden, Singles und Studenten, die (oder deren Eltern) über das nötige Kleingeld verfügen. Das Unternehmen vermarktet die Immobilien nach Fertigstellung als Geldanlageobjekt an Privatinvestoren.

Weitere Projekte am Bahnhof

Gegenüber auf dem ehemaligen Gelände der Westfalen-Tankstelle, das bereits seit über einem Jahr brach liegt, tut sich ebenfalls etwas. Der neue Besitzer ist ein alter Bekannter: Pro Urban. Das Unternehmen teilte auf Anfrage mit, dass hier im kommenden Jahr ein sechsstöckiges Wohn- und Geschäftshaus entstehen soll (wir berichteten). Zur Zahl der geplanten Wohneinheiten wollte sich Pro Urban nicht äußern, es dürfte sich schätzungsweise um 200 handeln. Unklar ist ebenfalls, ob die Wohnungen analog zu “Universe” vermarktet werden sollen.

Macht in der Summe rund 600 Wohneinheiten in bester Lage. Das Problem: Keine einzige unterliegt der sozialgerechten Bodennutzung. Sprich: Es entsteht in keinem Fall sozial förderbarer Wohnraum – und das in der stark wachsenden Stadt Münster mit ihrem angespannten Wohnungsmarkt.

Diese Erkenntnis ist bereits 2014 in der Politik angekommen, die mit diversen Maßnahmen gegensteuern möchte, um den sprunghaften Anstieg der Mieten und Immobilienpreise zu dämpfen. Eine der wohl schlagkräftigten Instrumente ist eben die sozialgerechte Bodennutzung. Die besagt, dass bei Neubauprojekten mindestens 30 Prozent der neu geschaffenen Wohnfläche den Kriterien des sozialen Wohnungsbaus entsprechen “sollen”.

Bebauungsplan kommt zu spät

Das Problem: Die Regelung gilt nur für Bereiche, in denen ein Bebauungsplan neu aufgestellt oder geändert wird. Bei den drei angesprochenen Projekten hingegen kann nach §34 Baugesetzbuch gebaut werden. Grob vereinfacht gesagt: Die Bauherren können nach Gutdünken bauen – die Immobilien müssen sich nur in die umliegende Bebauung einfügen.

Das war beim Metropolis-Hochhaus beispielsweise nicht der Fall, das Gebäude überragt den umliegende Bebauung deutlich. Hier stellte der Rat seinerzeit einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan auf – und schrieb den Bauherren Deilmann und Kresing ins Lastenheft, dass diese doch bitte schön 25 Prozent sozial förderbaren Wohnraum zu schaffen hätten. Wie die Geschichte ausging, ist hinlänglich bekannt.

Nun stellt sich die Frage: Warum hat die Stadt bereits vor Jahren, als sich die Änderungen in dem Viertel abzeichneten, keinen neuen Bebauungsplan aufgestellt und dort die sozialgerechte Bodennutzung festgeschrieben? Im Frühjahr schließlich brachte die Verwaltung eine Vorlage in das Stadtparlament ein, die eben genau das vorsieht: “Anlass (…) sind mehrere Neubauvorhaben im Baublock zwischen Von-Steuben-Straße und Bahnhofstraße, die von privaten Bauherren angestrebt werden bzw. eine beantragte Aufstockung eines Bestandsgebäudes.”

Als Ziel geben die Autoren “eine städtebaulich angemessene Planung zwischen der Hochhausdominante ‘Metropolis’ und der Hafenstraße” an. Dumm nur, dass die Verwaltung zu einem Zeitpunkt mit einer solchen Vorlage um die Ecke kommt, zu dem die wesentlichen Projekte in dem Plangebiet bereits in trockenen Tüchern sind.

Post-Abriss auf Eis

Auf Anfrage erklärte die Stadt hierzu: “Die Verwaltung den Eindruck gewonnen, dass hier etwas in planungsrechtlicher Sicht in Bewegung gerät und damit auch den bisherigen Charakter des Gebietes beeinflussen könnte.” Deswegen habe man die Aufstellung eines Bebauungsplanes empfohlen. “Das ist mehr als kritikwürdig”, sagt Linkspartei-Fraktionschef Rüdiger Sagel zum Vorgehen der Verwaltung. “Durch das zu späte Aufstellen eine Bebauungsplans wird hier wieder im Sinne des Investors gehandelt.” Sein Amtskollege Michael Jung von der SPD forderte am Mittwoch im Rat eine “konsequente Anwendung” der sozialgerechten Bodennutzung: “Sonst kann man sich das schenken.”

Eine Auswirkung hat der an sich unumstrittene Aufstellungsbeschluss vielleicht doch. Der Abriss des Postgebäudes am Berliner Platz und ein Neubau ist vorerst auf Eis gelegt, wie der Projektentwickler Welling Immobilien auf Anfrage erklärte. Das Unternehmen wollte nicht zu den Gründen Stellung nehmen – ein Zusammenhang mit dem Aufstellungsbeschluss ist naheliegend, denn in diesem Fall kann die Stadt sämtliche Bauantragsverfahren zurückstellen. Davon können sich die Münsteraner Wohnungssuchenden mit durchschnittlicher finanzieller Ausstattung jedoch nichts kaufen.


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  1. Auszug aus dem Flyer für das Projekt “Universe”: “Annahme: 17,50 € Nettokaltmiete” 🙁

  2. Universe – Preise wie auf einem anderen Stern. Astronomische Renditen für Investoren!

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