Münster

Batterieforschungsfabrik: Sand im Getriebe

Hier in Münster-Amelsbüren soll einmal die Batterieforschungsfabrik entstehen.

Der klassische Verbrennungsmotor ist ein Auslaufmodell, die Zukunft gehört der Elektromobilität. Die geplante Batterieforschungsfabrik in Amelsbüren soll der Technologie zur Massentauglichkeit verhelfen. Doch bei dem Prestigeprojekt scheint Sand im Getriebe. 

Ein Blick über den Acker hinweg ist wie ein Blick in die Vergangenheit. In einigen hundert Metern Entfernung verläuft die A1, das Heulen der Blechlawine ist auch hier noch gut zu hören. Das ist die Technologie von gestern. Auf dem Acker in dieser Ecke des Hansa Business Park hingegen soll der Zukunft der Weg geebnet werden. Und diese Zukunft ist elektromobil. Autos, die mit Strom aus bestenfalls erneuerbaren Quellen angetrieben werden.

Dafür braucht es nicht nur die passende Technologie zu passenden Preisen. Die Batterieforschungsfabrik, so die federführende Fraunhofer-Gesellschaft, sei eine “zentrale Forschungs- und Fertigungsinfrastruktur zur Befähigung der Industrie für eine ökonomische und ökologische Produktion von Batteriezellen”. Hier geht es nicht um Grundlagenforschung für die Batterien an sich, sondern um Produktionstechnologie für den Einsatz im großen Maßstab.

Bislang aber ist in Amelsbüren noch nichts zu sehen. Lastwagenfahrer nutzen die Ecke des Gewerbegebietes am Südzipfel der Stadt offenbar als Platz zum Übernachten. Bis sich das ändert, wird noch einige Zeit vergehen. Im nächsten Jahr ist – Stand jetzt – die Übergabe des ersten Bauabschnitts der Forschungsfertigung Batteriezelle (FFB) geplant, erklärte eine Sprecherin der landeseigenen Entwicklungsgesellschaft NRW.Urban auf Anfrage. Die Fraunhofer-Gesellschaft stellt Ende 2022 in Aussicht. Für 2025 planen die Projektpartner die Übergabe des zweiten Bauabschnitts der Anlage.

Batterieforschungsfabrik kommt zu spät?

Das Problem: Die ursprüngliche Planung war eine ganz andere. Im November 2019, also vor eineinhalb Jahren, schrieb das Landesforschungsministerium anlässlich der Bewilligung von Bundesgeldern: “Mit diesen Mitteln wird im Hansa Business Park im Süden der Stadt Münster bis zum Februar 2022 auf einem Grundstück mit rund 40.000 Quadratmetern die erste Batterieforschungsfabrik für ganz Deutschland entstehen.” Die Fraunhofer-Gesellschaft erklärte auf Anfrage, dass die ursprüngliche Planung 2023 vorgesehen habe.

Und nun 2025? Womöglich wird es sogar noch später. Der Wissenschaftsjournalist Jan-Martin Wiarda schrieb im vergangenen Monat in seinem Blog-Beitrag “Zäsur in Münster” von weiteren Verzögerungen. Er zitiert aus einem Brandbrief von Fritz Klocke, dem Geschäftsführenden Leiter der FFB, der davor warnt, dass die industrienahe Forschungsfertigung “kaum vor dem Jahr 2027 möglich” sein werde. Und: “Diese zeitliche Streckung (…) steht im Widerspruch zu einer Prämisse, unter die die Industrie, deren Innovationsvermögen die FFB stärken soll, dieses Projekt von Beginn an gestellt hat.” Sprich: Die Batterieforschungsfabrik kommt eigentlich zu spät.

Oder nicht? Die Fraunhofer-Gesellschaft stellt den Sachverhallt anders dar: “Im zweiten Quartal 2021 werden wir im ‘AlexProWerk’ der Alexianer Werkstätten in Münster eine Beschichtungsanlage mit Reinraumtechnik in Betrieb nehmen”, heißt es. “Voraussichtlich Ende 2022 wird der erste Bauabschnitt vom Land NRW an die Fraunhofer-Gesellschaft übergeben, in welchem zunächst eine Musterlinie für die kleinskalige Batteriezellproduktion integriert wird.” Auf einer Fläche von 3.000 Quadratmetern, wohlgemerkt.

So soll die Batterieforschungsfabrik in Münster-Amelsbüren aussehen - wenn sie fertig ist. (Grafik: Artur Krause/ARTVISU)
So soll die Batterieforschungsfabrik in Münster-Amelsbüren aussehen – wenn sie fertig ist. (Grafik: Artur Krause/ARTVISU)

Erst im Jahr 2025 wollen die Fraunhofer die Fertigungslinie für die großskalige Batteriezellproduktion in Betrieb nehmen: “In diesem Gebäude errichten wir eine wandelbare Fertigung, die es Industrieunternehmen entlang der ganzen Wertschöpfungskette der Batteriezellproduktion ermöglicht, alle oder ausgewählte Prozessschritte zu erproben und für ihre Zwecke zu optimieren.” Die Nutzfläche betrage rund 20.000 Quadratmeter.

“Im Zuge der detaillierten Planungen und im Austausch mit der Industrie ergaben sich mit Blick auf die tatsächlichen Bedarfe nochmals erhöhte Anforderungen, die allesamt berücksichtigt wurden”, erklärte das Fraunhofer-Institut auf die Frage nach dem Grund für die Verzögerungen. “Die weitere Planung zeichnet sich durch eine deutlich erhöhte Flexibilität aus, damit letztlich ein wesentlich breiteres Angebot an Industrie und Forschung geschaffen werden kann, um Batteriezellen kostengünstig und ökologisch zu produzieren.” Von Friktionen der Projektpartner untereinander, wie sie medial kolportiert wurden, könne nicht die Rede sein.

Schwieriger Start

Das Projekt Batterieforschungsfabrik stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek kommt aus Ibbenbüren, was für Argwohn sorgte, als der Außenseiter Münster den Zuschlag erhielt. Der Bundesrechnungshof untersuchte den Fall und kritisierte: “An vielen Stellen des Verfahrens ist zumindest der Anschein entstanden, dass es eine Fokussierung auf diesen Standort gegeben hat.” Die Ministerin sah sich entlastet.

Im November vergangenen Jahres dann meldete das Landesforschungsministerium in einer bemerkenswerten Pressemitteilung einen “schnelleren Endausbau”, für den zusätzliche 80 Mio. Euro bereitsgestellt werden. Dabei handelt es sich um das 3.000 Quadratmeter umfassende Modul, das eigentlich als Erweiterungsoption vorgesehen war und nun vorgezogen wird. “Ziel der geänderten Planung ist es, von Anfang an eine am Bedarf der Industrie ausgerichtete maximale Flexibilität der FFB und zugleich einen optimalen wissenschaftlichen Nutzen zu gewährleisten.” Das Hauptgebäude mit seinen 20.000 Quadratmetern wird mit keinem Wort erwähnt.

“Die ursprünglich erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehene Erweiterungsoption der FFB wird schon jetzt realisiert und gewährleistet den Beginn der Forschungsarbeiten im Zeitplan”, heißt es dazu vom Fraunhofer-Institut. Fachjournalist Wiarda wirft die Frage auf, ob es sich hierbei nicht um eine “Alibi-Veranstaltung” handelt, um Industrie und Öffentlichkeit zu besänftigen? Klocke legt ebenfalls den Finger in die Wunde: Was ursprünglich als Ergänzung geplant war, “wird jetzt für mehrere Jahre das Hauptleistungsportfolio der FFB sein.”

Was ist der Plan?

Und hier stellt sich die Frage, welchen Sinn die FFB am Ende erfüllen soll. Die Rahmenbedingungen sind eigentlich klar: Der klassische Verbrennermotor muss verschwinden. Weil er CO2 produziert und noch einige andere Stoffe, die nicht in die Atmosphäre gehören. Und weil wir hierfür den endlichen Rohstoff Öl benötigen. Die Lösung lautet Elektromobilität. Doch die Technologie hat bislang einen Haken: Noch immer sind die Akkus nicht so potent, dass sie den konventionell betriebenen Autos bei der Reichweite das Wasser reichen können. Auch die Ladegeschwindigkeit und die Preise hindern noch den Durchbruch auf dem Massenmarkt.

Die Politik hat erkannt, dass hier etwas geschehen muss, auch um der Konkurrenz in Asien Paroli zu bieten. Und sie nimmt sehr viel Geld in die Hand. Allein die FFB in Münster bekommt von Bund und Land zusammen 700 Mio. Euro. 16 Projekte in Deutschland erhalten insgesamt über drei Milliarden Euro. Projekte wie die Tesla-Fabrik in Brandenburg fördert der Staat ebenfalls. VW hat unlängst den Bau von Batteriefabriken angekündigt, PSA/Opel und Varta sind ebenfalls im Rennen.

“Aber wozu bedarf es dann noch einer Forschungsfabrik für 700 Millionen Euro, die frühestens Ende 2025 voll funktionsfähig ist?”, fragte der “Tagesspiegel” in seinem Newsletter “Tagesspiegel Background”.  “Man sollte jetzt die Reißleine ziehen und neu überlegen, wozu die FFB bis zum Ende des Jahrzehnts einen Beitrag leisten könnte”, wurde hier ein anonymer Branchenvertreter zitiert. Partner aus der Industrie, heißt es weiter, seien nicht in Sicht – angeblich vergrätzt von den Fraunhofer-Forschern. Die industriellen Partner braucht es aber, denn die FFB wird selber keine Produkte auf den Markt bringen. Das Fraunhofer-Institut erklärte hingegen, dass von mangelndem Interesse nicht die Rede sein könne.

“Teures Denkmal” befürchtet

Auto-Papst Ferdinand Dudenhöffer äußerte gegenüber der “WAZ” bereits im Februar die Befürchtung, dass die FFB zu einem “teuren Denkmal der Landesregierung” verkommen könne. Es sei naiv zu glauben, weltweit führenden Autokonzernen mit großen Forschungsabteilungen von Münster aus den Weg weisen zu können.

Nun, das werden wir voraussichtlich im Jahr 2025 sehen. Da, wo heute noch der Acker in Amelsbüren ist.


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Ein Kommentar

  1. Ich hoffe, dass die Batterieforschungsfabrik einen wirksamen Beitrag zur Energiewende leisten kann. Falls das nicht wie geplant gelingt, wäre das nicht nur schlecht für`s Klima. Es wäre wohl auch ein Grund zum Nachdenken darüber, was der Staat besser kann als Private, und was vielleicht nicht. Die Schnittstellen sind wohl auch hier die Schwachstellen.

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