Klartext

Undercover bei der AfD: Wir haben nach den Rechten geschaut

Frauke Petry, Bundessprecherin der AfD, beim Abschluss des NRW-Wahlkampfs im Stein-Gymnasium.

Stell’ Dir vor, die AfD feiert den Abschluss ihres NRW-Wahlkampfes – und kaum wer geht hin. Am Samstag traten Bundessprecherin Frauke Petry und NRW-Landeschef Markus Pretzell vor rund 100 Zuschauern im Stein-Gymnasium auf. Die hoch umstrittene Veranstaltung war für unseren Reporter – der inkognito nach den Rechten sah – nur schwer zu ertragen.

Draußen stehen 400 Gegendemonstranten, drinnen vernehmen die Teilnehmer des Wahlkampfabschlusses der Alternative für Deutschland kaum etwas davon. Zwar wird am Sonntag in Nordrhein-Westfalen gewählt, doch bei der AfD ist ebenso wie bei den Gegendemonstranten irgendwie die Luft raus. Im Januar protestierten noch über 7.000 beim Neujahrsempfang der neuen Rechten, die seinerzeit vor Kraft kaum laufen konnten angesichts zweistelliger Umfragewerte und den entsprechenden Wahlerfolgen.

Die Zeiten sind vorerst vorbei. Rund 100 Zuschauer zum Abschluss den NRW-Wahlkampfes sind ein desaströser Wert, mindestens die Hälfte der Plätze bleibt am Samstag leer. Die AfD verliert offensichtlich an Zugkraft, was auch an dem nachlassenden Interesse am Thema Zuwanderung liegen dürfte. Der Partei ist ihr Killerargument abhanden gekommen, doch für den Einzug in den Landtag wird es wohl  trotzdem reichen. In NRW ist mit sechs bis sieben Prozent zu rechnen.

“Wir werden primär über ein Thema wahrgenommen, das müssen wir ändern”, erklärt Parteisprecherin Petry. Die AfD-Frontfrau war kürzlich auf dem Bundesparteitag in Köln mit ihrer Initiative auf eine Richtungsänderung hin zur Mitte gescheitert. Seither gilt sie als beschädigt, hält aber an ihrem Amt fest. Am Samstag lässt sie sich davon nichts anmerken, sondern arbeitet ihre Themen routiniert ab. Man sei ja gar nicht gegen das Asylrecht, sondern nur gegen seinen Missbrauch, schiebt sie nach, um sich dann Fragen von Familie bis Bildung zuzuwenden.

Platzverweis für Pretzell
Auch ihr Vorredner, Lebensgefährte und NRW-Landesparteichef Markus Prezell, hatte sich nur kurz mit dem Thema Migration beschäftigt. Die Position der AfD sei hier doch bekannt, es sei zudem “aus der öffentlichen Wahrnehmung raus”. Das Problem ist seiner Ansicht nach aber immer noch da. Statt dessen erzählt er lieber von dem Platzverweis, den er bei seinem Ausflug auf den Vorplatz des Gymnasiums von der Polizei erhalten hat – angeblich, weil er die Leute provoziere.

Danach folgt ein langer Monolog über den Euro und Außenhandelsüberschüsse, die Aufmerksamkeit der Zuhörer wird zunehmend strapaziert. Wie Pretzell es selbst in der Vergangenheit mit seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gehalten hat, erwähnt er indes nicht. Erst am Donnerstag hatte die “Rheinische Post” berichtet, dass der Landeschef dem Entzug seiner Zulassung als Anwalt durch eine Rückgabe eben jener zuvorgekommen sei. Andere Geschichten drehen sich um Intrigen und Ränkespiele im NRW-Landesverband.

Frauke Petry, Bundessprecherin der AfD, beim Abschluss des NRW-Wahlkampfs im Stein-Gymnasium.
Frauke Petry, Bundessprecherin der AfD, beim Abschluss des NRW-Wahlkampfs im Stein-Gymnasium.

Aber treiben Themen wie “Gleichmacherei” in der Bildungspolitik oder die maroden Straßen in NRW die paar Menschen am Samstag ins Stein-Gymnasium? Ausgerechnet in einer staatlichen Schule, deren Namensgeber, welch ein Hohn, ein Reformator im liberalen Preußen war, wo jeder nach seiner Façon selig werden sollte? Auffällig viele Männer jenseits der 50 sitzen im Publikum, eine Familie mit dem heranwachsenden Sohn ist gekommen, alle in Ausgehgarderobe. Ein Herr im weit fortgeschrittenen Alter erzählt im Gespräch, dass er am Sonntag sein Kreuz bei der AfD machen werde. Sie sei die einzige echte Oppositionspartei, erklärt er. “Was die Frau Merkel erzählt hat, es gäbe keine Obergrenzen… Das als Physikerin!”, entfährt es dem offenkundig gut situierten Geologen in Rente, der früher FDP gewählt hat.

Männlich, alt, frustriert
Damit wirkt er fast wie eine Blaupause für den typischen AfD-Wähler: Gut situiert, aber Groll “auf die da oben”, die sich nicht um die kleinen Leute kümmern, das Geld an die EU verschenken und dann auch noch die Schleusen öffnen für Hunderttausende Geflüchtete. So ähnlich sieht das auch Michael Jahn, der in Münster auf der AfD-Liste für den Landtag kandidiert. Nach 25 Jahren in der “Systempartei” CDU hat ihm der Merkel’sche “Linksruck” seiner politischen Heimat beraubt. Da der pensionierte Lehrer, Alter 74, in NRW die CSU nicht wählen kann, ging er halt zur AfD.

Sein Leib-und Magenthema ist die innere Sicherheit. Die sei nicht mehr auf dem Niveau von vor fünf oder zehn Jahren, was an der “unkontrollierten Zuwanderung” liege – ein Sachverhalt, der nachweislich falsch ist. Ähnlich läuft es bei dem anderen Münsteraner Landtagskandidaten Holger Lucius, nach eigenen Angaben “Unternehmensentwickler”. Ex-Bundespräsident Christian Wulff trieb ihn mit seiner Äußerung, der Islam gehöre zu Deutschland, zur AfD: “Wir sind nicht fremdenfeindlich, wir nennen die Dinge nur beim Namen.” Und morgen kommt der Osterhase. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.

Gegendemonstranten vor dem Stein-Gymnasium.
Gegendemonstranten vor dem Stein-Gymnasium.