Münster

LEG, Vonovia & Co.: Das Geschäft mit den Modernisierungs-Mieterhöhungen

Das Immobilienunternehmen LEG will die Mieten an der Oberschlesier Straße kräftig anheben.

30 Prozent Aufschlag auf die Miete? Vollkommen legal! Der Immobilienkonzern LEG erhöht den Mietzins in Teilen seines Münsteraner Bestandes im großen Stil. Mit einer Masche, die so einfach wie lukrativ ist – der Gesetzgeber macht es möglich.

Als Johannes Monse im vergangenen März den Briefkasten öffnet, findet er darin Post von seinem Vermieter. Die LEG eröffnet ihm in dem Schreiben eine Erhöhung der Miete in Höhe von 30 Prozent. Statt derzeit 500 Euro Nettokaltmiete sollen künftig 630 Euro für seine 52 Quadratmeter Wohnfläche fällig werden. “Ich finde das krass”, sagt Monse. “Die wollen hier den letzten Cent rauspressen!” Ein Nachbar von ihm wisse gar nicht, ob er sich die Miete in dem Gebäude an der Oberschlesier Straße künftig noch leisten könne.

Die Krux an der Geschichte: Alles, was die LEG vorhat, ist vollkommen legal. Von den Kosten der Modernisierung können die Vermieter bis zu elf Prozent auf die Miete umlegen – so besagt es § 559 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Im Fall von Monse sind das 32.883,95 Euro, die anteilig nach Wohnfläche auf ein Jahr gerechnet auf die Mieter umgelegt werden. Macht für Monse 129,27 Euro extra pro Monat. Und was gibt es dafür? Wärmedämmung im Dachgeschoss, eine neue Haustür, neue Fenster in den Wohnungen und im Treppenhaus. Eine DIN-gerechte Briefkastenanlage und ein Fahrradstellplatz sollen die Wohnqualität erhöhen und das Gebäude gleichzeitig in “einen guten, zeitgemäßen Zustand” versetzen. Weitere 360.000 Euro investiert die LEG in Instandhaltungsarbeiten. Dieser Posten kann nicht auf die Miete umgelegt werden.

“Das ist eine sehr gute Möglichkeit, die Miete sehr schnell zu erhöhen”, erklärt Ulla Fahle vom Mieterschutzverein in Münster. Normalerweise können Hausbesitzer den Mietzins nur in sehr homöoopathischen Dosen und in genau festgelegten Intervallen anheben. Bei Modernisierungen hingegen gilt das nicht. “Finanziell gibt es keine Grenze für die Modernisierungsmieterhöhungen. Das macht sie so interessant.” Und: Ist die Miete einmal erhöht, dann bleibt sie auch auf diesem Niveau. LEG-Mieter Monse müsste die 129,27 Euro auch noch in 20 Jahren bezahlen.

LEG ist noch lange nicht fertig

Das Unternehmen selbst sieht den Vorgang unkritisch: “Wir brauchen möglichst zufriedene Kunden, sonst erwirtschaften wir nichts, um in unsere Bestände investieren zu können. Deshalb hat Modernisierung bei uns einen hohen Stellenwert”, teilt die Pressestelle schriftlich mit. “Wir prüfen deshalb turnusmäßig, welche Investitionen in unsere Bestände fließen sollen. ” An der Oberschlesier Straße plant das Unternehmen 35 Wohneinheiten zu modernisieren, hieß es auf nochmalige Nachfrage. Hier lege man acht Prozent anstatt der theoretisch möglich elf Prozent auf die Miete um.

Auf die Frage, was darüber hinaus geplant ist, antwortete die LEG nicht. Nach uns vorliegenden Informationen sollen weitere Maßnahmen an der Metzer Straße angekündigt sein. Eine Bewohnerin an der Kolmarstraße berichtete, dass Handwerker in einem Haus bereits Fußböden und Decken vermessen hätten. Nun fürchtet sie, demnächst ähnliche Post wie Monse in ihrem Briefkasten vorzufinden. Am Biederlackweg und in der Aaseestadt sind bereits Modernisierungen durchgeführt worden. Die Mieterhöhungen lagen hier im Schnitt bei rund 30 Prozent. “Es ist davon auszugehen, dass die LEG ihren Bestand, wo es möglich ist, energetisch modernisiert und auch bei der Miete die entsprechenden Anpassungen vornimmt”, erklärt Fahle. In Münster verfügte das Unternehmen laut Geschäftsbericht Ende 2017 über 6.074 Wohnungen.

Dabei ist die LEG kein Einzelfall. Erst kürzlich meldeten sich Mieter des Wohnungskonzerns Vonovia, der in Münster über einen relativ geringen Bestand u. a. in Mauritz-Ost verfügt. Die Lamentis der Bewohner klingen ähnlich. “Kann ich mir die Wohnung bald noch leisten oder stehe ich bald auf der Straße”, klagt eine Anwohnerin angesichts der angekündigten Mieterhöhung von 50 Prozent. Die auf den Außenbereich beschränkten Arbeiten, so der Vorwurf, seien reine Kosmetik, während die Wohnungen innen eine Modernisierung wesentlich nötiger hätten.

“Lizenz zum Gelddrucken”

Die Beispiele der börsennotierten Immobilienkonzerne LEG und Vonovia zeigen zugleich, dass das Problem auch durch die Politik verursacht worden ist. So hat die damalige Koalition aus CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen die Landesentwicklungsgesellschaft NRW 2008 an einen von Goldman Sachs aufgelegten Immobilienfonds verkauft. Über eine Sozialcharta wurden seinerzeit unter anderem Grenzen für mögliche Mieterhöhungen festgelegt. Diese Regelung läuft nach zehn Jahren, also in diesen Tagen, aus.

“Eine der Folgen dieser Politik sind jetzt diese Modernisierungen mit erheblichen Mieterhöhungen für die Mieter”, sagt Otto Reiners, Fraktionschef der Grünen im Stadtrat. “Die Umlagemöglichkeit ist eine Lizenz zum Gelddrucken.” Die kommunale Politik hat allerdings keine Handhabe gegen die Immobilienunternehmen. Um Härten für die Empfänger von Sozialleistungen abzufedern, könnte die Stadt die für sie zulässigen Höchstmieten anheben. Die LEG will ihren Mietern andere Wohnungen aus ihrem Bestand anbieten, könnten sie sich ihre alte nach der Modernisierung nicht mehr leisten.

Auf Bundesebene hat das Haus von Justizministerin Katarina Barley (SPD) einen Referentenentwurf vorgelegt, der das Absenken der möglichen Umlagehöhe auf acht Prozent und eine zeitliche Befristung auf fünf Jahre vorsieht. “Das ist zu wenig”, urteilt Mieterschützerin Fahle, die eine komplette Abschaffung der Regelung fordert. Auch wenn die Mieter im Regelfall kaum eine legale Handhabe gegen die Mieterhöhungen haben, empfiehlt sie den Betroffenen, sich zu organisieren und Öffentlichkeit zu schaffen: “Diese Unternehmen fürchten nichts mehr als schlechte Presse.” Es habe durchaus Fälle gegeben, bei denen sich die Vermieter am Ende konzessionsbereit gezeigt hätten. Darauf will Johannes Monse nicht hoffen. Er hat seine Entscheidung bereits gefällt: “Ich werde ausziehen.”


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