Klartext

Kleine Bahnhofstraße: German Angstraum

Die Bewohner an der kleinen Nahmhofsstraße haben Angst vor dem, was schon immer da war.

Die kleine Bahnhofstraße befindet sich im Wandel. Nachdem die Westfalen-Tankstelle abgerissen wurde, ist es für alle sichtbar, was dort immer schon war, aber unter dem Dach der Garage etwas diskreter ablief. Manchen macht das Angst. Aber was wir hier sehen, ist ein Vorgeschmack auf das, was am Bremer Platz passieren könnte.

Die Anlieger der kleinen Bahnhofstraße sind besorgt. Sie haben dieser Sorge jetzt mit einem “Brandbrief” an die “Münstersche Zeitung” Ausdruck verliehen. Inhalt: Wir haben die Hosen voll. Denn das, was immer schon da war, können wir jetzt auf einmal sehen. Und was wir da auf einmal sehen können, macht uns Angst. Es wird mit Drogen gehandelt, das ist nicht neu und wird letztlich von der Polizei toleriert. Die Vorwürfe von Pöbeleien und sexueller Belästigung hingegen haben eine andere Qualität, müssten aber zunächst einmal verifiziert werden.

Normalerweise ist die Situation folgende: Die Dealer wollen ihren Geschäften nachgehen. Pöbeln erregt da nur unnötige Aufmerksamkeit. Und die Süchtigen, die Obdachlosen und die Säufer wollen einfach ihre Ruhe haben. Hierzu passt dann auch die Auskunft der Polizei, dass die Kriminalität in besagter Ecke nicht gestiegen ist. Aber das passt dann nicht mehr so gut zu der Angst-Geschichte. Und Angst ist ja sehr subjektiv. Ich erinneree an dieser Stelle nochmal an die Kampagne zur Windthorststraße, die die “MZ” zu Jahresbeginn gefahren hat. Das Schema auch hier: Irgendwer greift zum Hörer und diktiert weinend die Schlagzeile des nächsten Tages.

Damals ist wie auch jetzt schnell der Begriff “Angstraum” in der Diskussion. Dieses Mal entstammt er nicht der Kommentarspalte, sondern kommt von CDU-Ratsherr Stefan Leschniok, der via Pressemitteilung fordert:

“Polizei, Sozialeinrichtungen und der vom Oberbürgermeister eingerichtete runde Tisch müssen Lösungen finden”, sagte Ratsherr Stefan Leschniok nach Berichten über Kriminalität in der kleinen Bahnhofstraße. “Angsträume sind keinem Bürger zumutbar und darf es in Münster nirgendwo geben”, so der sicherheitspolitische CDU-Sprecher.

Dem aufmerksamen Leser wird auffallen, wie sich die Geschichte hier allmählich verselbständigt. Die Kriminalität ist nicht gestiegen, es gab nur einen einzigen Bericht. Dass wir diese zugegeben nicht gerade optimale Situation jetzt an der Stelle haben, sollte die Politik aber nicht überraschen. Die Westfalen AG stampft das Gelände ein. Was mit den Leuten, die dort abhängen, passiert, interessiert das Unternehmen nachvollziehbarerweise nicht. Die Stadt hätte hier sicherlich Einflussmöglichkeiten gehabt, diese aber nicht genutzt.

Letztlich aber ist das, was wir gerade an der kleinen Bahnhofstraße sehen, doch nur ein Vorgeschmack auf das, was uns am Bremer Platz erwartet. Die Fraktion von Ratsherr Leschniok hat hier zusammen mit den Grünen den Fehler gemacht, erst grünes Licht zu geben für die Bebauung der Bahnhofs-Ostseite und erst danach eine Lösung für die Platte an der Pergola zu suchen. Das ist ein wenig wie im Fußball: Langer Ball nach vorne und dort hilft uns dann der liebe Gott. Das rächt sich möglicherweise. Spätestens, wenn der nächste Brandbrief zum Thema Angstraum kommt.