Klartext

Ambitionierte Koalition, ungedeckte Schecks

Der Autor: Rüdiger Sagel ist ein politisches Urgestein in Münster. Lange Jahre saß er erst für die Grünen, dann für die Linkspartei zunächst im Landtag, zuletzt im Stadtrat. Seine aktive politische Karriere hat er mit Ablauf der Legislaturperiode beendet.

Der Autor: Rüdiger Sagel ist ein politisches Urgestein in Münster. Lange Jahre saß er erst für die Grünen, dann für die Linkspartei zunächst im Landtag, zuletzt im Stadtrat. Seine aktive politische Karriere hat er mit Ablauf der Legislaturperiode beendet

Kurz vor dem Scheitern hat Münsters Koalition aus SPD-Grünen und Volt gerade noch die Kurve gekriegt. Auf 120 Seiten will die “Münster Koalition” nun “ökologisch-gerecht-progressiv” die Stadt verändern. Ein ambitioniertes Papier, das vermutlich auch Fridays-for-Future und viele politisch Engagierte in der Kultur- und Sportszene einigermaßen zufrieden stellen wird. Der teils mit blumigen Bildern, oft vage und ziemlich langatmig formulierte Vertrag, löst damit erwartungsgerecht die schon in den Wahlprogrammen der Bündnispartner*innen postulierten Absichten weitgehend ein, meint unser Kolumnist Rüdiger Sagel.

Insoweit könnten sich nun neben den Ökosozialen auch der rechte Teil der SPD, der eine Nachverhandlung durchgedrückt hatte, und vor allem die Wähler*innen entspannt zurücklehnen, gäbe es da nicht noch ein unkalkulierbares Problem. Im Wesentlichen soll mehr Geld ausgegeben werden und die Koalition weiß selbst, dass infolge der Pandemie weniger eingenommen wird. Wie sollen dann die zahlreichen Zukunftsversprechen finanziert werden?

Dieser scheinbar unauflösbare Widerspruch scheint die ambitionierten Partei- und Fraktionsvorsitzenden aber nicht weiter beschäftigt zu haben. Um den Vertrag in trockene Tücher zu bringen, verspricht man erstmal Hoffnung und damit allen so ziemlich alles. Da man niemandem, und auch nicht der Wirtschaftslobby, weh tun möchte, soll der Flughafen Münster-Osnabrück mindestens bis 2023 weiter Millionensubventionen bekommen.

Gleichzeitig aber sollen zum Beispiel die Buspreise auf einen Euro gesenkt und der ÖPNV, weitgehend Busverkehr, stark verdichtet werden. Zusätzliche Kosten: Mindestens 40 Millionen Euro. Coronabedingt soll die Gewerbesteuer nicht erhöht werden, gleichzeitig ist aber laut Stadtkämmerin mit stark sinkenden Steuereinnahmen im 100 Millionen Bereich zu rechnen.

Trotzdem soll weiterhin ein – bisher auf mindestens 200 Millionen Euro bezifferter – Musikcampus mit jährlich rund 5 Millionen Unterhaltungskosten realisiert werden, das mit rund 25 Millionen Euro jährlich subventionierte Stadttheater uneingeschränkt weiterfinanziert und die freie Kulturszene noch zusätzlich unterstützt werden. Ein neues Schwimmbad im Westen der Stadt soll gebaut und gleichzeitig ein Stadionumbau im Rahmen von 40 Millionen Euro umgesetzt werden. So stellen sich Bürger*innen unweigerlich schon jetzt die Frage, mit welchen Steuern und Abgaben sie die „guten Werke“ wohl werden bezahlen müssen oder was wohl gekürzt wird?

Ziel erreicht – Veränderungen fraglich

Das vordergründige Ziel, erstmal überhaupt eine Koalition jenseits der CDU zustande zu bringen, wurde erreicht. Fehlt es aber nicht an der eigentlich notwendigen Kraft und dem Willen, eine Prioritätenliste aufzustellen, wann was tatsächlich realisiert wird?

Ob eine klimaneutrale Stadt, wie versprochen bis 2030, möglich wird, wenn Veränderungen lediglich in homöopathischen Dosen verabreicht werden? Denn vieles soll zunächst weitergehen wie bisher und konkrete Klima-Maßnahmen sollen in breiten Konsensrunden verabredet werden. Rote Fahrradstraßen und Tempo 30 in der ganzen Stadt vergrößern sicher den Chill-Out Charakter der Stadt und machen sie attraktiver. Sichern aber die verabredeten Maßnahmen der Einkaufsstadt und Münsters City die notwendigen Kunden und Einnahmen?

Es ist sicherlich gut, dass zumindest im Stadtrat jetzt erstmal eine neue Mehrheit jenseits der CDU den Ton angibt. Es gibt auch durchaus viel guten Willen. Doch nicht nur die Sozialdemokraten sollten sich an Kurt Schumacher erinnern: „Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit.“


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