Münster

Nur Hype oder schon Blase: Das steckt hinter dem Hotel-Bauboom

Münster: Hotel-Bauboom

In Münster ist Wohnraum knapp und teuer, auf der anderen Seite schießen neue Hotels wie Pilze aus dem Boden. Warum? Weil Münster zu wenige Herbergen hat – sagen die Befürworter. Wir haben uns einmal angeschaut, was hinter dem Hotel-Bauboom steckt.

Wer in diesen Tagen am Verspoel entlang geht, der wird vielleicht das Hämmern oberhalb eines Fastfood-Restaurants an der Ecke zur Ludgeristraße vernehmen. Hier soll ab Jahresende ein Hostel mit 150 Betten Touristen mit schmalem Budget anlocken. Verpflegung gibt es dann passenderweise im Erdgeschoss.

Wenn es ein klassisches Hotel sein soll, tut sich einige Hundert Meter weiter am Hauptbahnhof eine neue Übernachtungsgelegenheit auf. Über der ehemaligen Filiale der insolventen Drogeriemarktkette Schlecker soll ein Drei-Sterne-Superior-Hotel mit 75 Betten Einzug halten.

Etwas gehobener wird es im ehemaligen Dorint um die Ecke zugehen. Das Atlantic mit seinen vier Sternen soll Anfang 2018 seine Pforten öffnen. Gegenüber an der Herwarthstraße auf dem Gelände des ehemaligen Versorgungsamtes kommen noch ein Ibis Budget (Zwei Sterne, 240 Betten) und ein Novotel (Vier Sterne, 240 Betten). Diese Häuser sollen 2018/2019 ihre Pforten öffnen.

Wer die Medienberichte der letzten Monate verfolgt hat, dem schlackern möglicherweise die Ohren bei den vielen Neubauprojekten, die bereits in Arbeit oder mittelfristig geplant sind – und die vorherige Aufzählung ist bei weitem nicht komplett. Und man fragt sich gerade in einer Stadt wie Münster, in der Wohnraum knapp und teuer ist, ob diese immense Bautätigkeit überhaupt Sinn macht. Oder bauen Investoren von außerhalb ohne Sinn und Verstand und setzen auf einen Verdrängungswettbewerb, der die ersten alteingesessenen Häuser in kurzer Zeit in die Knie zwingt?

Um eines vorwegzunehmen: Das sind Fragen, die nicht mit einem einfachen ja oder nein zu beantworten sind. Einhellig ist jedenfalls die Ansicht, dass Münster schlichtweg Nachholbedarf habe. Aber wie passt das, wenn vergleichbare Städte wie Augsburg (4.392 Betten) und Aachen (5.410) über deutlich geringere Kapazitäten bei kommerziellen Betrieben über zehn Betten als Münster (7.866) verfügen? In dieser Kennzahl sind auch Jugendherbergen und Hotels garni erfasst.

Bernadette Spinnen ist eine der Personen, die den Hotelmarkt in Münster kennen. Die Chefin von Münster Marketing hat als eine ihrer Hauptaufgaben, den Tourismus- und Kongressstandort Münster zu vermarkten. Und Touristen und Kongressteilnehmer müssen irgendwo schlafen können, das versteht sich von selbst. „In den letzten Jahren hatten wir deutliche Zuwächse bei den Übernachtungen“, erklärt Spinnen. Das Problem: „Die Hotelkapazitäten sind da nicht mitgewachsen. An den Wochenenden, aber auch unter der Woche, haben wir eine sehr enge Situation.“

Hotel-Kapazitäten zuletzt geschrumpft
Tatsächlich hat Münster in den letzten Jahren einen teils deutlichen Zuwachs bei den Übernachtungsgästen verzeichnet – von 1,237 Mio. in 2010 auf 1,36 Mio. fünf Jahre später. Augsburg kommt übrigens auf eine annähernd gleiche Zahl, Aachen auf 988.000. Die aufsteigende Tendenz in Münster wurde nur im vergangenen Jahr von einen Rückgang von 5,2 Prozent unterbrochen, den Spinnen auch auf die mangelnden Kapazitäten zurückführt. Tatsächlich ist das Bettenangebot sogar leicht zurückgegangen. So hat etwa die Sparkassenakademie ihre 400 Betten gestrichen, auch die vorübergehende Schließung des Mercure, vormals Dorint, schlug ins Kontor. Schaut man sich ausschließlich die Hotel-Kapazitäten an, kam die Stadt im vergangenen Jahr auf 3.008 Betten. Ende 2012 waren es noch 3.309 gewesen.

Aber ist das nicht letztlich nur eine Fachdiskussion, der sich Hoteliers an einer ihrer Bars widmen? Was kümmert das die Stadt, entstehen dadurch Arbeitsplätze? Ist ein verknapptes Angebot nicht letztlich gut für die Anbieter, wenn auch nicht unbedingt für die Nachfrager? Hier muss man sich einerseits vor Augen halten, dass rund zwei Drittel der Übernachtungsgäste in Münster aus beruflichen Gründen in der Stadt sind. Sie treffen sich mit Geschäftspartnern oder sind auf dienstlichen Veranstaltungen wie Kongressen.

„Es haben schon Kongresse nicht in Münster stattgefunden, weil wir diese unbefriedigende Situation auf dem hiesigen Hotelmarkt haben“, sagt ein Aufsichtsratsmitglied der Halle Münsterland, das seinen Namen an dieser Stelle nicht lesen möchte. Ganz so schlimm sieht Spinnen die Situation nicht. Aber: Kongressveranstalter schauen sich die Situation in potentiellen Gastgeberorten natürlich im Vorfeld an – und da würden schonmal 1.600 Betten angefragt.

Das alte Parkhaus-Problem
Und in Münster können die Hoteliers dann eben nicht immer befriedigende Antworten liefern. Einerseits schreckt das recht hohe Preisniveau, das auch auf den mangelnden Wettbewerb – Stichwort: Unterangebot – zurückzuführen ist, potentielle Besucher nicht nur aus dem Business-Bereich ab, wo eben nicht beliebige Summen gezahlt werden. Der preisbewusste privat reisende Niederländer (Spinnen: „Hier haben wir einen Einbruch.“) weicht wiederum ins Umland aus.

Hinzu kommt die starke Fragmentierung des lokalen Hotel-Marktes: Während privat Reisende kleine, familiär geführte Betriebe – wie sie in Münster dominieren – durchaus zu schätzen wissen, ist dies aus Sicht von Kongressveranstaltern eher hinderlich. Das gilt aus organisatorischer Sicht und im Hinblick auf den Networkingcharakter solcher Veranstaltungen. Da will man sich abends nochmal an der Hotelbar auf einen Schnack und einen Schluck treffen. Wenn 500 Teilnehmer auf zehn Häuser verteilt werden müssen, ist das natürlich schwierig. Das gilt auch für den Veranstalter, der eine Verteilung allein schon aus logistischen Gründen auf wenige Hotels wünscht. Hier rächt sich auch der relativ geringe Anteil von großen Hotelketten am lokalen Markt.

„Sicherlich ist es so, dass bei Großveranstaltungen wie der IAF-Messe oder anderen großen Kongressen die Hotelkapazitäten in Münster nicht ausreichen und hier auch in das Umland ausgewichen wird“, räumt Renate Dölling vom Dehoga Westfalen ein. Und schiebt die Frage hinterher: Solle man die Kapazität an der Spitzenauslastung ausrichten? Eine ähnliche Situation wurde vor Jahren bei den Parkhäusern in der Innenstadt diskutiert, die nur samstags wenige Stunden lang vollkommen ausgelastet sind.

Deutlicher Zuwachs in Sicht
Ganz losgelöst davon werden derzeit Fakten geschaffen. Gemessen an den von den Bauherren selbst kommunizierten Zahlen wird die Kapazität hier in Münster bis 2019 um 1.400 oder rund 30 Prozent auf dann rund 4.700 Betten (hier sind nur „klassische“ Hotels erfasst) gesteigert. Ein nennenswerter Teil davon soll auf das untere Preissegment entfallen. „Im Vier-Sterne-Superior-Bereich sind wir bereits gut aufgestellt“, sagt Spinnen, die am anderen Ende Handlungsbedarf sieht. Dölling hingegen ist der Meinung, dass das untere Preissegment mit der Umsetzung der anstehenden Budget-Projekte gesättigt sei.

„Viel spannender aus meiner Sicht ist die Frage, wie stellt sich die Auslastung, insbesondere im Bereich der familiengeführten Betriebe und der nun auf den Markt drängenden Kettenbetriebe zukünftig dar“, erklärt die Funktionärin. „Hier bleibt es abzuwarten, wie sich das nach Realisierung aller Hotel-Projekte dann darstellen wird.“ Auch Spinnen erwartet, dass Bewegung in den bislang eher verschlafenen Markt kommen wird: „Eine Marktbereinigung wird kommen, der Investitionsdruck tut uns gut“. Unter dem Strich aber winke eine Win-Win-Situation: „Wir sind sicher, dass wenn die Kapazitäten erhöht werden, auch die Übernachtungen steigen.“

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