Klartext

Fahrradhauptstadt Münster: Runter von den Lorbeeren!

Symbolbild: Die Leihleeze startet zum Katholikentag.

Fahrradstadt – ja, das ist Münster. Aber Fahrradhauptstadt, wie Münster Marketing und auch der Oberbürgermeister Markus Lewe nicht müde werden zu erwähnen? Was viele Münsteraner schon seit vielen Jahren bemängeln, liegt nun durch das dürftige Ergebnis des Fahrradklimatests schwarz auf weiß vor.

Am Freitag veröffentlichte der ADFC den Fahrradklimatest 2016 mit – für münstersche Verhältnisse – bescheidenen Bewertungen. Ja, ja. Wir sind immer noch die Nummer eins unter den Städten mit mehr als 200.000 Einwohnern. Aber die deutlich abgesackte Durchschnittsnote 3,07 (2003: 1,88) ist wahrlich kein Ruhmesblatt.

Das ernüchternde Ergebnis zeigt: Fahrradhauptstadt ist man hier vielleicht ob der Masse an Rädern pro Einwohner, mitnichten aber wegen einer besonderen Klasse in der infrastrukturellen Ausstattung mit modernen Radwegen, Stellplätzen oder gar Serviceangeboten. Das Fahrrad genießt in der Fahrradstadt keine Priorität in der Verkehrsplanung.

Stillstand ist der Tod – geht’s voran, bleibt alles anders
Das philosophierte Herbert Grönemeyer mal ganz passend. Leider steht Münster immer häufiger still, Ein- und Auspendler verstopfen die Straßen, die gesamte innerstädtische Verkehrsinfrastruktur scheint am Rande ihrer Kapazitätsgrenzen angelangt zu sein. Das bedeutet nicht nur hohe Umweltbelastungen, sondern auch abnehmende Lebensqualität an Hauptstraßen, aber auch in den bis zum Gehtnichtmehr zugeparkten Wohnquartieren, vor allem in der Innenstadt.

Nun wird seit Jahrzehnten das Wachstum der Stadt proklamiert und es werden Prognosen von ca. 330.000 Einwohner im Jahr 2030 genannt. Seltsamerweise wurde neben der Schaffung von Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten auch der (Rad)Verkehr vergessen. Aber wie reagiert die Stadt jetzt? Geht sie voran, treibt sie an? Wird sie kreativ oder plant gar innovative Lösungsansätze? Nein.

Seit 2011 werden „Velorouten“ mit den umliegenden Gemeinden diskutiert, die zur Entlastung des motorisierten Pendleraufkommens geschaffen werden sollen. Keine einzige Veloroute wurde bis heute realisiert. Dafür gibt es aber ein 14 Seiten schwaches, vom Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung, Verkehrsplanung erstelltes Papier, das sich „Fahrradverkehrskonzept 2025“ nennt. Leider kommt der Inhalt über vage Absichtserklärungen nicht hinaus. Aber auch hier werden die Velorouten besonders betont, als wolle man von der Abwesenheit sonstigen Inhalts ablenken.

Zeit, dass sich was dreht
Der OB dazu in der städtischen Pressemitteilung vom Freitag: „Die [im Radverkehrskonzept] enthaltenen Standards sowie das Veloroutenkonzept müssen jetzt oberste Priorität haben.“  Jetzt erst? Im Umkehrschluss: War das vorher nicht der Fall und jetzt gibt’s die Quittung? Standards von Vorgestern? Was ist mit innovativer Routengestaltung in der (Innen)Stadt? Umgestaltung des Straßenraumes zugunsten des (parkenden) Radverkehrs? Fehlanzeige! Nüschte! Nada!

Auch mit Ideen von Externen, die dazu beitragen könnten, unsere Stadt verkehrlich zukunftsfähig aufzustellen und gleichzeitig etwas für das Klima zu tun, wie dem von Herrn Dr. Allnoch vorgestellte zweite Promenadenring, tun sich Verwaltung und Politik schwer, betrachten diese  mindestens aber mit großem Argwohn. Ja, die Politik… gibt mit einem nahezu lächerlichen Haushaltsetat von 600.000 Euro für den Radverkehr für das Jahr 2017 zumindest ein klares Statement ab: Wir ruhen uns auf dem aus, was wir haben. Festgelegt wurde dieser Etat wohlgemerkt unter Beteiligung der Grünen.

Das alles macht momentan wenig Mut. Also, Münster – wo wollen wir hin? Ich würde sagen, Zeit, dass sich was dreht. Brecht Tabus, schmeißt – wo möglich – das Auto raus und gebt uns unsere Fahrradhauptstadt zurück!

Bei diesem Text handelt es sich um einen Gastbeitrag, der nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wiedergeben muss. Wenn ihr euch zu bestimmten Themen äußern wollt und diesbez. über eine gewisse Expertise und/oder eine gut begründete Meinung verfügt, sprecht uns mit einem Themenvorschlag unter redaktionED an!