Archiv Stadtgeschichte(n)

Das letzte Pils ist gezapft: Brökers Bierstube schließt ihre Pforten

xxx

Schluss, aus, vorbei. Als Wirt Werner Middendorf in der Nacht zum Sonntag die letzten Gäste sanft vor die Tür befördert, sind 26 Jahre Brökers Bierstube im Hauptbahnhof Geschichte. Fest steht: Die Kneipe wird nach dem Umbau nicht wiederkommen.

„Ich verspüre sehr starke Wehmut“, sagt Eigentümer Franz-Josef Bröker. 1988 hat er den Laden zusammen mit seinem Bruder Berthold übernommen, jetzt ist angesichts des bevorstehenden Bahnhofsumbaus endgültig Feierabend. „Ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, erklärt der Geschäftsmann bei der Abschlussparty am Samstag. Rund 20 Freunde und Stammgäste sind gekommen, um die letzten Fässer Bier zu leeren. Und das Feeling ist noch einmal ein klein wenig wie früher: Bei geschlossener Gesellschaft darf zum Abschied noch einmal geraucht werden, ganz so wie früher, als es das Rauchverbot noch nicht gab. „Das hat uns ein Drittel des Umsatzes gekostet“, regt sich der Geschäftsmann noch einmal auf und nimmt einen tiefen Schluck aus dem Bierglas, von denen er in den letzten 26 Jahren mehr als fünf Millionen verkauft haben will. „Hier war jeder willkommen, ob der Prof von der Uni oder der Knacki von der Gartenstraße.“

Aber was soll’s. In zwei Monaten feiert er seinen 70. Geburtstag, jetzt ist es an der Zeit für ihn, sich aufs Altenteil zurückzuziehen. „Mit Überstunden bin ich schon 84“, lacht der altersmilde Senior, der sich nun auf die Zeit mit der Familie und den Enkeln freut. Beim neuen Bahnhof will er nicht mehr mitmachen, auch aus Altersgründen, obwohl es ihn traurig mache, das nicht mehr als Mieter erleben zu können. 14 Jahre habe er schließlich für den Neubau gekämpft. „Der damalige Bahn-Chef Mehdorn hat mir beim Kramermahl gesagt: ‚Wir zwei Dicke machen das.’ ‚Dass ich dick bin, wüsst’ ich aber’, hab ich ihm da entgegnet.“

Systemgastronomen bekommen den Vorzug
Fraglich zudem, ob er da überhaupt noch einmal zum Zug kommen würde beim anstehenden Bewerbungsverfahren. „Das werden alles Systemgastronomen und Filialisten, die Individualgastronomen haben keine Chance“, klagt er und trifft damit einen wunden Punkt, der immer wieder Anlass zur Kritik am Vorgehen der Bahn ist. „Wir sind einerseits froh, dass es mit dem Umbau losgeht, hätten uns aber gewünscht, dass langjährige Mieter übernommen werden“, stimmt Ratsherr Richard-Michael Halberstadt ein, der früher einmal für das Bahnhofsviertel im Stadtparlament saß, jetzt aber nach Gievenbeck ausgewichen ist.

Aber vielleicht ist es auch der Zeitgeist, der es den Kneipen schwer macht – nicht nur in Bahnhöfen, sondern generell ist die gute, alte Pinte auf dem Rückzug. Auch hier wird immer wieder auf das Rauchverbot als Sargnagel verwiesen. „Die klassische Nachbarschaftskneipe wie früher in jedem Bahnhof gibt es heute nicht mehr. Das ist nicht mehr zeitgemäß“, analysiert Bröker. Immerhin: Am Nebenausgang auf der Ostseite sollen während des Umbaus weiterhin Kaffee und Brötchen verkauft werden. Sohn Frank und Schwiegertochter Sabine wollen mit dem „Ottmar“ weitermachen.

Auf ein Pils mit Drafi Deutscher
Das Personal ist derweil bereits auf der Suche nach neuen Jobs, einige haben schon etwas gefunden. Auch die Stammgäste müssen sich nun eine Alternative suchen. „Für viele war das ein Wohnzimmer, Heiligabend war es schwer, den Laden um 16 Uhr abzuschließen“, sagt Middendorf, der sich gerne an Besuche von Promis wie Drafi Deutscher („Netter Kerl, ein laufender Meter“) und Ingrid Steeger erinnert. „Es tut im Herzen weh“, klagt Stammgast Jörn Davidsen. Felix Jacobs wird eindeutiger: „Ich werde das hier vermissen. Scheiße isses.“

Auch bei Bröker steigt zum Ende hin die Wehmut: „Jetzt habe ich mehr über meine Gefühle erzählt als über wirtschaftliche Fakten.“ Nicht schlimm, es spielt ohnehin keine Rolle mehr. Als Middendorf in der Nacht zum Sonntag – der Chef ist schon ein Weilchen weg –  das letzte Mal abschließt, hat es sich endgültig ausgewirtschaftet.

Dieser Artikel ist erstmalig im Juli 2014 in der “Münsterschen Zeitung” erschienen und angesichts der im Sommer anstehenden Neueröffnung des Bahnhofs veraltet. An dieser Stelle: eine kleine Hommage an das Vergangene.