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Millionen fürs Hafencenter: Dieser Vertrag wirft Fragen auf

Auf diesem Grundstück am Hansaring soll das Hafencenter gebaut werden.

Die Diskussion um das Hafencenter bekommt zum Jahresende nochmal richtig Schwung: Den notwendigen Zündstoff besorgt der städtische Zuschuss für die Tiefgarage des Einkaufszentrums. Die Initiative gegen den Bau des Komplexes hat Passagen aus dem Durchführungsvertrag zwischen der Kommune und Stroetmann veröffentlicht, die Fragen aufwerfen.

7,1 Mio. Euro. Diese nicht ganz unbeträchtliche Summe steuert die Stadt Münster für den Bau der Tiefgarage unter dem Hafencenter bei. Sie ist bereits seit längerer Zeit bekannt. Bekannt ist auch, dass mit dem Geld aus dem Stellplatzablösetopf 220 der 357 geplanten unterirdischen Parkplätze gefördert werden. “Die Errichtung des Quartierparkhauses wird von der Stadt Münster aus den Ablösebeiträgen zweckgebunden gefördert”, heißt es in der entsprechenden Ratsvorlage, die eine Mehrheit aus CDU, SPD und FDP am 16.12.2015 verabschiedete. Das ist legal und nicht unüblich. In den Ablösetopf zahlen beispielsweise Bauherren ein, die gemessen an der größe ihres Bauvorhabens nicht ausreichend Parkplätze bereitstellen können. Das dort gesammelte Geld kann dann beispielsweise für Parkhäuser ausgegeben werden.

Der Teufel aber steckt bekanntlich im Detail und einige bemerkenswerte Details sind jetzt an die Öffentlichkeit gelangt. Die Hafencenter-Gegner um Rainer Bode haben in der vergangenen Woche eine Online-Petition mit Fokus auf dem Tiefgaragenprojekt gestartet. Sie kritisieren einerseits die Höhe der Zahlung als unverhältnismäßig. In München, so die Argumentation, sei der Zuschuss auf maximal die Hälfte der entstehenden Kosten begrenzt. Im vorliegenden Fall dürfte der Anteil wesentlich höher liegen. Interessant wird es aber, wenn man sich den in der Petition veröffentlichten Auszug aus dem Durchführungsvertrag anschaut, den die Stadt mit Stroetmann geschlossen hat. Dort steht unter Absatz 1:

“Die Vorhabenträgerin verpflichtet sich, im Untergeschoss der Stellplatzanlage 220 Stellplätze für die Dauer von mindestens 25 Jahren ab Beginn der tatsächlichen Nutzung der Stellplätze als Quartiersgarage zur öffentlichen Nutzung zur Verfügung zu stellen. (…) Eine gleichzeitige Nutzung durch Mieter, Kunden und Beschäftigte des Vorhabens ist zulässig. Alle Stellplätze des Vorhabens sind kostenpflichtig und werden bewirtschaftet.”

Bund der Steuerzahler kritisiert Vertrag
Kritisch sei, erläutert Bode, aber nicht nur die Höhe des Zuschusses an sich: “Die Stadt Münster hat offentlichsich keinerlei vertragliche Vorsorge getroffen, um wirklich sicherzustellen, dass die im Viertel dringend benötigten Parkplätze auch den Anwohnern zur Verfügung stehen”, erläutert er. “So werden jetzt privat vermarktete Parkplätze gefördert, deren tatsächlicher Nutzen für die Allgemeinheit nicht feststellbar ist.” Ob, in welchem Umfang und zu welchen Konditionen Stroetmann die Parkplätze der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen möchte, ist unbekannt. In welchem Umfang das Unternehmen dies tun muss, ist augenscheinlich nicht exakt vertraglich fixiert. Haben Kunden am Ende gar Vorrang vor Anwohnern? Wie viele Parkplätze müssen der Öffentlichkeit und nicht nur zahlenden Kunden des Hafencenters zur Verfügung gestellt werden?

Das Unternehmen, das an dieser Stelle für eine Klarstellung sorgen könnte, ließ eine entsprechende Anfrage unbeantwortet. Auch die Stadtwerke-Tochter Westfälische Bauindustrie, der Interesse an der Bewirtschaftung der Tiefgarage nachgesagt wird, wollte mit Verweis auf einen “privatrechtlichen Vertrag” nichts sagen. Und die Stadt? Ebenfalls Fehlanzeige.

Unsere Recherchen haben derweil ein pikantes Detail ans Tageslicht gebracht: Der besagte Vertrag wurde bereits vor der Ratssitzung im Dezember 2015 von dem damaligen Stadtdirektor Hartwig Schultheiß unterschrieben – und zwar im Oktober. Anschließend erhielten die Vorsitzenden der Ratsfraktionen das Papier zur Kenntnisnahme. Gegenüber dem WDR hingegen bestritt Grünen-Fraktionschef Otto Reiners, davon gewusst zu haben.

Chancen stehen 50/50
Wir haben der Bund der Steuerzahler NRW um eine Einschätzung des Sachverhalts gebeten. Antwort: Die Fördersumme von rund 32.600 Euro je Stellplatz sei als “realistische Größe” zu betrachten. “Wir sehen kritisch, dass die Stadt Münster lediglich von 25 Jahren Nutzung ausgeht”, erklärt Markus Berkenkopf, Referent für Haushalts- und Finanzpolitik. “Weitergehende Regelungen über die Nutzung der öffentlichen Parkplätze nach Ablauf dieser Frist enthält die Entwurfsfassung des Vertrages nicht. Das ist ein Kostenrisiko für die Stadt Münster.” Grundsätzlich sei es aus Steuerzahlersicht zwingend erforderlich, eine Vergleichsberechnung durchzuführen, um darzustellen, dass dieses Investorenmodell gegenüber einer Durchführung durch die Stadt tatsächlich wirtschaftlicher wäre. Die Abschreibungstabelle im nordrhein-westfälischen Haushaltsrecht geht bei Tiefgaragen von 40 bis 50 Jahren Nutzungsdauer aus. Stroetmann hingegen könnte die Tiefgarage spätestens nach 25 Jahren exklusiv für sich in Anspruch nehmen.

Wie das Verfahren seitens der Stadt gelaufen ist, ist unbekannt. Ist der Vertrag von bestimmten Interessengruppen oder Personen an Schlüsselpositionen einfach durchgedrückt worden? Ist in der Verwaltung ungenau gearbeitet worden? Fest steht: Der Parkdruck im Hansaviertel ist groß, die verkehrliche Belastung auch. “Die Misere ist hausgemacht”, erklärt Piraten-Ratsherr Johannes Schmanck. “Letztlich zahlt die Stadt, weil sie die Investoren im Hafenviertel in der Vergangenheit nicht gezwungen hat, ausreichend Parkraum zu schaffen.” Die Kommune selbst wollte mit Verweis auf die laufende juristische Auseinandersetzung keine Auskünfte erteilen. Die Hafencenter-Gegner nämlich haben gerade erst eine Klage gegen die kürzlich erteilte Baugenehmigung eingereicht, die jedoch keine aufschiebende Wirkung hat. Im Hintergrund läuft das Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht. Wann hier eine Entscheidung gefällt wird, ist offen. Der Klage aber, die das gesamte Projekt zu Fall bringen könnte, werden allenthalben durchaus Chancen eingeräumt – von 50/50 ist die Rede.