Münster

Zurück in die Heimat

Heino und Ina Scharrenbach auf dem Heimatkongress.

Der Begriff Heimat ist wieder in Mode. Neuerdings werde Ministerien mit ihm geschmückt und seit Samstag auch ein Kongress. Teile der Politik sind offenbar der Meinung, dass sie die Deutungshoheit über den lange verpönten Terminus zurückerobern müssten von den Rechten. Das trägt mitunter merkwürdige Blüten, wie der Heimatkongress in der Halle Münsterland zeigt.  

Das mit dem Begriff Heimat ist ja so eine Sache. Auf den ersten Blick erscheint er wahnsinnig groß, aber wenn man dann einmal genauer hinschaut, verschwinden die vermeintlichen Konturen und es tritt ein amorphes Wesen hervor, das irgendwie alles und doch nichts zu sein scheint. Das gilt vor allem dann, wenn man dem Thema gleich einen Heimatkongress widmet, wie es jetzt das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung getan hat. Die an einen “Gemischtwarenladen” (O-Ton Norbert Thiemann) erinnernde Behörde hat es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, das Wort Heimat wieder mit Inhalt zu füllen.

Was macht man da? Klar, man veranstaltet einen Heimatkongress. Dann gibt es auch noch Heimatbotschafter. Einer von ihnen ist Heino. Der Schlagersänger ist Überraschungs- und Stargast bei der Veranstaltung am Samstag und weiß, mit welchen Tönen man das – Überraschung – überwiegend grauhaarige Publikum anzusprechen hat. “Ich bin froh, dass man das Wort Heimat wieder in den Mund nimmt”, erzählt der aus Bad Münstereifel angereiste Barde. Das sei ja mal negativ besetzt gewesen. “Ich wäre ja schon zufrieden, wenn man im Musikunterricht wieder auf Deutsch singt.” Da gibt es Applaus von den 520 Teilnehmern, die aus allen Ecken (und gefühlt Heimatvereinen) Nordrhein-Westfalens nach Münster gekommen sind.

Sie sollen, so die Idee der Ministerialen, die Speerspitze der neuen Graswurzelbewegung sein. “Heimat kann nicht von oben verordnet werden”, wiederholt Minsterin Ina Scharrenbach (CDU) gebetsmühlenartig. Das müsse von unten wachsen. Man habe den Menschen in den letzten Monaten viel zugehört. Am Samstag wurde der Austausch in fünf Foren zu Themen von Denkmalschutz bis Integration fortgesetzt. Ihre Erkenntnisse: “Heimat hat viel mit Traditionen zu tun, hat viel mit unsichtbaren Wurzeln eines jedes Menschen zu tun, die Halt, Orientierung und Überschaubarkeit in einer unübersichtlich gewordenen Welt bieten”, sagt die Ministerin. Und: “Das sorgt bei vielen Bürgern für Unsicherheit und verstärkt die Sehnsucht nach Geborgenheit, also nach einem Ort der Vertrautheit, Sicherheit und Überschaubarkeit.” Zum Beispiel, wenn Bilder von syrischen Kriegsflüchtlingen bei der Ankunft in Deutschland über die heimischen TV-Bildschirme flattern.

Viel Geld für Heimatkongress & Co.

Dafür wird Scharrenbach nun richtig Geld in die Hand nehmen. Bereits am Donnerstag stellte sie ein Programm mit einem Volumen von über 100 Mio. Euro über die kommenden vier Jahre vor. Zur unbürokratischen Förderung von Projekten lokaler Vereine und Initiativen, die sich mit Heimat beschäftigen, werden jährlich 1.000 Heimat-Schecks à 2.000 Euro mit einem wechselnden inhaltlichen Schwerpunkt bereitgestellt werden. Ein Heimat-Preis, eine Heimat-Werkstatt, ein Heimat-Fonds und ein Heimat-Zeugnis sind ebenfalls geplant. Viel Füllstoff für den Begriff Heimat, der natürlich vollkommen individuell ist.

Und der geneigte Wähler sieht: Da passiert also richtig was. Die Politik kümmert sich. Schließlich sitzt die AfD im Bundestag und die reklamiert solche Termini schließlich für sich. Aber ist der Heimatkongress vielleicht nur einer dieser Reflexe, mit denen versucht werden soll, die Oberhoheit über die Heimat zurückzugewinnen? “Das Wort Heimat hat Konjunktur”,  stellt denn auch Matthias Löb, LWL-Chef und Vorsitzender des Westfälischen Heimatbundes, fest. “Kaum noch eine politische Rede, die ohne einen Exkurs zum Thema Heimat auskommt.” Statt dessen, fordert er, solle man zunächst einmal über die Ziele der Heimatarbeit sprechen.


Massives Polizeiaufgebot

Die Polizei sicherte den Heimatkongress am Samstag mit deutlich sichtbarer Präsenz ab. Unsere Recherchen hatten zuvor ergeben, dass die Identitäre Bewegung bei der Veranstaltung Störaktionen geplant hatte. Diese Planungen sind offenkundig verworfen worden. Ein Zusammenhang mit unserer Berichterstattung darf vermutet werden:-)

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